Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Andrea Strube in »Der junge Mann« | © Photo: Lenja Kempf
  • Dieser PLUS-Artikel ist frei verfügbar
Information
Deutsches Theater

Große Emotionen in kleinen Gesten

Information
Premiere von «Der junge Mann» mit Andrea Strube
von Miriam Bode, erschienen am 04. November 2024

Als die Premierevorstellung von «Der junge Mann» beginnt, überrascht die Schauspielerin Andrea Strube damit, dass sie den vor ihr liegenden Hefter zuklappt und ihre Brille absetzt und auf den Tisch legt. Es wirkt wie ein Ende, kein Beginn. Die Message ist eindeutig: Sie möchte nicht vorlesen, sie wird erzählen, schauspielern. 

«Der junge Mann» ist eine one-woman-show unter der Regie von Jette Büshel, die auf der gleichnamigen Buchvorlage der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux basiert. Darin erzählt sie von der Liebesbeziehung zu einem dreißig Jahre jüngeren Mann, spricht auch ihre Abtreibung an und bricht damit Tabus.

Es ist ein dezenter Humor, der sich durch Ernauxs Werke zieht und denn Andrea Strube pointiert trifft. «Ich hatte schon oft Sex, um mich zum Schreiben zu bringen», sagt sie zum Beispiel. Ab und zu zwinkert sie dem Publikum zu und zeigt damit deutlich, welche Stellen lustig und welche wiederum sehr ernst sind. Eine gelungene Mischung. 

Die Interpretation des Werkes gelingt sehr gut. Andrea Strube bleibt nicht auf ihrem Stuhl sitzen. Stattdessen geht sie von links nach rechts, am Publikum vorbei, wiederholt einige Stellen einmal auf der linken, dann auf der rechten Seite. Zuerst wirkt das Vorgetragene fröhlich, dann ängstlich und nachdenklich. Es gelingt so, den Text in all seinen Facetten zu fassen: Den Stolz über die Beziehung zu dem Mann, der ihr Sohn sein könnte und auf der anderen Seite die Unsicherheit darüber, dass er sich in eine andere Frau in seinem Alter verliebt. Genauso vielseitig wirken die Erinnerungen der eigenen Jugend: Ernaux (Strube) erzählt voller Elan, dann stockt sie und wirkt sehr traurig. Es gelingt Andrea Strube, große Emotionen in kleinen Gesten zu greifen. Sie muss vor dem Publikum dafür nicht in Tränen ausbrechen, sie verändert nur ein wenig die Stimmlage und Körpersprache.

Als es um den jungen Mann geht, bleibt sie nicht stillsitzen, sie umarmt sich selbst, schließt die Augen und bewegt sich sinnlich hin und her. Dann wieder imitiert sie ein Auto, lenkt, ruckelt hin und her und kurbelt das imaginäre Fenster herunter. Als sie von Frauen in ihrem Alter spricht, zeigt sie ins Publikum, dann auch wieder, als sie von einer jungen Frau spricht. Sie interagiert auf diese Weise mit den Anwesenden, ohne dass dies unangenehm oder gezwungen wirkt. Stattdessen lacht das Publikum mit ihr. Ihr gelingt es Ernauxs Sprache in Bewegungen zu verwandeln. Wenn sie von einem engen Kleid spricht, drängt sie sich durch die engste Stelle im Raum, wenn sie von der Beziehung zum eigenen Körper spricht, steht sie vor einer Mauer, zeigt ihren Körper so wie sie ihn selbst beobachtet.

Der Vorstellung gelingt es auf außerordentliche Weise, den Text nicht nur erfolgreich umzusetzen, sondern ihn zu interpretieren und zu verdeutlichen. Dabei geht dem Original nichts verloren, Andrea Strube schafft es durch Wiederholungen, Bewegungen und nicht zuletzt durch ihr Schauspieltalent das Original zu würdigen. 

Annia Ernauxs Werk erzählt von einer ungewöhnlichen Beziehung und Andrea Strube gelingt es all die widersprüchlichen und komplexen Gefühle, die diese Beziehung begleiten, in Worten, Bewegungen und voller Gefühle darzustellen. Sie zeigt sie dem Publikum, lässt sie die Beziehung und die Überlegungen über das eigene Alter verstehen. 

Die Vorstellung dauert etwa eine Stunde und ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Weitere Termine sind der 12.11, 17.11, 01.12 und der 22.12. 

Keine Kommentare

Warum kann ich diesen PLUS-Artikel lesen?

PLUS-Artikel sind Texte, für die eine freie Mitarbeiterin oder ein freier Mitarbeiter bezahlt wird. Die Umsätze unserer Abonnent:innen dienen zur Finanzierung dieser Leistung.

Auch die Veranstalter als Partner des Kulturbüros tragen zum Beispiel mit ihren Anzeigen zu dieser Finanzierung bei. In diesem Fall hat das Deutsche Theater Göttingen eine PLUS-Partnerschaft übernommen, damit Sie diesen Text lesen können.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.