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Passend zu diesem Text

  • Wenn nicht nur die Visionen in Trümmern liegen

    Informationen
    »Vor Sonnenaufgang« von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann
    erschienen am 08 März 2023
    Anna Paula Muth Bastian Dulisch Deutsches Theater Erich Sidler Florian Eppinger Gabriel von Berlepsch Gaia Vogel Rebecca Klingenberg Roman Majewski
  • Vorverkaufsstart für das Gastspiel »Pah-Lak«

    Informationen
    Vorstellung am 3. Juni im dt.1
    erschienen am 05 März 2023
    Deutsches Theater
  • Informationen
    Premiere »Vor Sonnenaufgang« im Deutschen Theater

    Erodierende Familienenklave

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    Gespräch mit Bühnenbilder Jörg Kiefel
    erschienen am 03 März 2023
    Deutsches Theater Jörg Kiefel Szenenwechsel
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    dt.2 Premiere »Mitwisser«

    Eine Kartographie der Mitwisserschaft

    Informationen
    Gespräch mit Regisseurin Selina Girschweiler
    erschienen am 23 Februar 2023
    Deutsches Theater Selina Girschweiler Szenenwechsel
  • Verzaubert und bewegt

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    »Infinita« - Vom Anfang und Ende
    erschienen am 21 Februar 2023
    Deutsches Theater Familie Flöz Göttinger Figurentheatertage
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    DT-2 Premiere »Pirsch«

    Vom Opfer zur Jägerin

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    Gespräch mit Regisseurin Christina Gegenbauer
    erschienen am 29 Januar 2023
    Christina Gegenbauer Deutsches Theater Szenenwechsel
  • Informationen
    DT- Premiere »Hedwig and the Angry Inch«

    Queeres Kultmusical

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    Gespräch mit Regisseurin Sarah Kurze
    erschienen am 26 Januar 2023
    Deutsches Theater Sarah Kurze Szenenwechsel
  • Theaterfantasie für zwei Schauspieler

    Informationen
    »Die Frau in Schwarz« auf der DT-X Bühne
    erschienen am 15 Dezember 2022
    Cornelie Hildebrandt Deutsches Theater Roman Majewski Ronny Thalmeyer
  • Leidenschaftlich couragiertes Ensemble

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    Premiere »Zerstörte Straßen«
    erschienen am 14 Dezember 2022
    Daniel Mühe Deutsches Theater Jenny Weichert Marco Matthes Nathalie Thiede Niklas Ritter Paul Trempnau Tara Helena Weiß
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    Premiere »Die Frau in Schwarz« im Deutschen Theater

    Eine Odyssee für zwei Schauspieler

    Informationen
    Gespräch mit Regisseur Georg Münzel
    erschienen am 09 Dezember 2022
    Deutsches Theater Georg Münzel Szenenwechsel
Information
Deutsches Theater

Wechsel zwischen Erinnerungs- und Erkenntnissplittern

Information
Andrew Bovell »Das Ende des Regens«
Rezension von Tina Fibiger - Erschienen am 3.Mai 2015

Premiere Das Ende des Regens im Deutschen Theater

Väter verschwinden ohne zu sagen, warum. Mütter schweigen für den Rest ihres Lebens. Ihre Kinder erfahren einen Zustand des Verloren seins, der auch ihre Kinder prägt. All das lässt der australische Dramatiker Andrew Bovell über Generationen und Kontinente hinweg geschehen. Mit den Stimmen der Gegenwart und der Vergangenheit, denen er in seiner dramatischen Odyssee „ Das Ende des Regens“ einen Echoraum gibt.

Auf der Bühne des Deutschen Theaters irrlichtern seine Figuren mit diesem Gefühl, dass da etwas an ihrem Leben nagt, dass sie nicht fassen können. Mit ihnen gerät der Zuschauer  in der Inszenierung von Ingo Berk in ein Suchspiel über die zerstörerischen Altlasten zweier Familien und warum sie so unvorstellbar lange nachwirken.

Bovell lässt seine Odyssee in einer trostlosen Zukunft beginnen. Bühnenbilder Damien Hitz hat eine kreisrunde Bahn entworfen und in Schräglage versetzt, auf der die Erinnerungen bruchstückhaft zirkulieren. Zunächst mit der Beschreibung von sintflutartigen Regenfällen, die bereits 60 Jahre zuvor einsetzten.

Ein Fisch fällt vom Himmel und ein Anruf erhellt das trübe Schicksal von Gabriel York (Florian Eppinger). Sein Sohn Andrew (Benjamin Kempf ) möchte die Geschichte eines abwesenden Vaters hören, der ihn 20 Jahre zuvor verlassen hatte. Gestalten in Regenmänteln schütteln ihre Schirme aus. An einem Tisch in der Mitte der Bahn löffeln sie stumm eine warme Suppe, brechen wieder auf und kehren dann vereinzelt oder zu zweit zurück, um ihren Geschichten erneut zu begegnen.
So wenig wie sich die Erinnerung an eine lineare Abfolge von Ereignissen und mögliche Folgen hält, pendeln auch die Szenen zwischen den Zeiten und den Orten. In London braut sich 1959 das Zerwürfnis von Elisabeth Law (Rebekka Klingenberg) und ihrem Mann Henry (Gerd Zinck) zusammen. Seine pädophilen Neigungen treiben ihn in die Flucht nach Australien, wo sein Sohn Gabriel (Benedikt Kauff) die väterliche Spur aufnimmt und sich in die junge Gabrielle York (Rahel Weiss) verliebt, die den Sexualmord an ihrem kleinen Bruder nie verwunden hat.

Für eine zerstörerische Erkenntnis, Gabriels tödlichem Autounfall, ihre Schwangerschaft,  und die Rettung durch ihren späteren Ehemann Joe Ryan (Paul Wennig) muss eine ältere Gabrielle (Gaby Dey) die Worte finden. Auch ihre Geschichte wird immer wieder gebrochen durch den erneuten Blick zurück nach London, wo die junge Elisabeth die Familienkatastrophe ahnt, während sich die ältere Elisabeth (Angelika Fornell) den Fragen ihres Sohnes Gabriel sperrt und zur stummen Zeugin der Ereignisse von früher wird. Am Schauplatz Australien lauscht dann eine jüngere Gabrielle den Worten der Älteren, die ihr Schweigen nicht mehr länger aushält.

Dieser Wechsel zwischen den Erinnerungs- und Erkenntnissplittern, die sich einer Chronologie verweigern macht es dem Zuschauer nicht leicht. Besonders wenn er nach Ursache-Wirkungsmustern sucht, um dieses Familienlabyrinth aus Schmerz und Verdrängen zu entschlüsseln. Er muss sich auch auf die Vorstellung einlassen, dass die Stimmen der Vergangenheit bei allen Figuren immer mit am Tisch sitzen und nicht zur Ruhe kommen werden, bis endlich jemand mit ihnen spricht. Dann erschließt sich dieser Theaterabend wie ein Puzzle von disparaten Teilen und deren Zusammenwirken mit der Einsicht, dass das Verschweigen von Geheimnissen nie ohne Folgen bleibt und keine Biografie bei Null anfängt.

Regisseur Ingo Berk macht den mühsamen Weg dahin spürbar, wenn er die Spannung in den Rückblenden nicht forciert und das Ensemble in den einzelnen Episoden einem strengen Rhythmus folgt. Vielleicht kann es auch nur so zu diesen besonderen Momenten kommen, die unmittelbar und abgrundtief bewegen. Eine Frau entdeckt unter den Aufnahmen von nackten Jungen das Foto ihres Sohnes während die stumme Gestalt an ihrer Seite in ihrer Qual erstarrt. Eine Andere stirbt noch einmal mit dem Tod ihres Geliebten und wird auch dann nie mehr zu trösten sein.

Selbst wenn es im Deutschen Theater auch immer wieder zu Szenen kommt, die nahe gehen und nachwirken, so sind sie doch rar und deshalb umso kostbarer. Mit ihnen wird Ingo Berks Inszenierung zu einem ganz besonderen Theaterabend. Auch über die befreiende Wirkung, wenn das Schweigen aufbricht und endlich ein Gespräch beginnt, das jetzt nicht bloß legen will, entlarven und anklagen. So wie sich Gabriel und sein Sohn Andrew einfach auf eine gemeinsame Geschichte verständigen lernen und den Fisch verspeisen, der vom Himmel fiel.