Eine Rätselhafte Geschichte feierte im Keller des Deutschn Theaters Premiere. Kulturbüro-Autorin besuchte das Stück, in dem Ronny Thalmeyer und Roman Majewski mit vielen Klischees jonglieren.
Das klingt nach einer wenig unterhaltsamen Geschichte, die Ronny Thalmeyer da ankündigt. Roman Majewski klingt auch nicht gerade begeistert von den ersten Sätzen und dem Manuskript, mit denen sein Schauspielkollege da kämpft, und mäkelt über den Stil und den Satzbau. Was das mit dem angekündigten Stück »Die Frau in Schwarz« zu tun hat, lässt sich zunächst nur vermuten. Vielleich handelt es sich ja um eine etwas eigenwillige Theaterprobe, die Georg Münzel für die DT-X Bühne inszeniert hat, und nicht um die Dramatisierung eines Romans von Susan Hill, die für ihre mystisch grundierten Erzählungen von ihrer Leserschaft gefeiert ist. Aber wie das bei rätselhaften Geschichten so ist, darf sich auch das Publikum im DT-Bistro Keller überraschen lassen; von zwei Schauspielern, die sich auch auf Theaterfantasien verstehen, und von einer geisterhaften schwarzen Gestalt, die sich auch in der Bühnenfassung von Stephan Mallatratt vor allem in Schweigen hüllt.
Es wird noch einige unsanfte, komische und erheiternde Unterbrechungen geben, bis sich Ronny Thalmeyer und Roman Majewski auf dramatisch historische Spurensuche in das britische Marschland um 1900 begeben, wo schon die nebelige Wetterlage immer wieder Gruselstimmung aufkommen lässt. Dafür ist allerdings zunächst ein kleiner Rollenwechsel fällig. Zunächst will Ronny Thalmeyer als auf das Erbrecht versierter Anwalt Arthur Kipps offenbar endlich eine Geschichte preisgeben, die ihn schon so lange quält. Bei der soll ihm Roman Majewski in der Rolle des spiel- und rezitationserfahrenen Profis bei Seite stehen. Dann sind endlich alle kritischen Anmerkungen abgehakt und sogar ein paar launige Shakespeare Zitate, so dass der dramaturgische Besserwisser jetzt den Part des Erzählers übernimmt und einen Miterzähler an seiner Seite hat, der alle weiteren Figuren spielt, die an der Geschichte um die Frau in Schwarz beteiligt sind.
Ein junger, aufstrebender Anwalt soll das Testament einer Mrs. Drablow vollstrecken, die in einer ziemlich angelegenen Region in einem ebenso abgelegenen Haus lebt, das nur bei Ebbe erreichbar ist. Die beiden Chronisten in ihren historischen Kostümen im Stil des viktorianischen Zeitalters müssen sich im Bündnis mit Regisseur Georg Münzel und Bühnenbildnerin Lisa Marlen Hartling einiges einfallen lassen. Schließlich wollen die vielen Schauplätze auf ihrer rätselhaften Odyssee auch angemessen zur Wirkung kommen. Sie haben dafür nur ein paar Stühle und eine Holzkiste zur Verfügung, aber damit ist eine Bahnreise ebenso möglich wie eine Kutschfahrt und ein Ritt, während es rattert und zuckelt oder aus den Lautsprechern quietscht und pfeift. Und warum sollte es sich auf Holz nicht ebenso alptraumgefährdet schlummern lassen wie auf einem historischen Plüschsofa mit vielen Kissen.
Als Frau in Schwarz hat Cornelie Hildebrandt immer wieder ein verschleiertes waches Auge auf das Publikum und ganz besonders auf den Testamentsvollstrecker, der die Warnungen der Marschlandbewohner nicht ernst nimmt. Sie alle wissen um den bösen Fluch, der auf Mrs. Drablows verlassener Villa zwischen Nebelbänken, Schlammlöchern und Flutwellen lastet; der Hotelwirt ebenso wie der Kutscher und der lokale Agent für Erbschaftsangelegenheiten. Dann nimmt das Unheil seinen Lauf in vielen gespenstischen Augenblicken, mit bösen Ahnungen und tragischen Entdeckungen, die sich oft auch musikalisch mit geheimnisvoll düsteren Sounds ankündigen. Ein bisschen durfte auch die DT-Requisite hinter der verschleierten Bühnenrückwand zaubern, wo ein verlassenes Kinderzimmer des Rätsels tragische Lösung birgt, das sich bald darauf in einer Schatulle mit alten Briefen bestätigt.
In zeitgenössischen Fantasy-Erzählungen mag es fantastischer, aufregender und abenteuerlicher zugehen als in einer Geschichte mit historischen Figuren, klassischen Spukgestalten und den finsteren Flüchen, die sie verbreiten. Um so mehr fasziniert dieser Abend als Theaterfantasie für zwei Schauspieler, die mit ihren Figuren aus ihrem kreativen Fundus schöpfen können. Wenn sich Stephen Mallatratt mit der Frau in Schwarz zunächst seinen unterhaltsamen Reim auf vermeintliche Bühnenprofis und hilflose Laien macht, jonglieren Ronny Thalmeyer und Roman Majewski vergnügt mit vielen schönen Klischees. Aber dann erzählen sie eben auch, wie der vermeintlich unsichere Chronist der Ereignisse in der Gestaltung der vermeintlichen Nebenfiguren aufblüht und sein scheinbar so versierter Mitspieler sich so in die Figur des Erzählers vertieft, als sei sie real und nicht bloß eine literarische Fantasie. So kann sich das Publikum mit einem erleichterten Arthur Kipps in das Finale seiner Geschichte und diese Theaterfantasie mit mystischen Zutaten schwärmen. „Es war, als hätte ich mir selbst zugeschaut“.
»Die Frau in Schwarz« von Susan Hill und Stephen Mallatratt feierte am 11. Dezember 2022 seine Premiere im Deutschen Theater Göttingen. Weitere Vorstellungen stehen am 18. Dezember, am 11. und am 22. Januar 2023 auf dem Spielplan.