Da kommt Weihnachtsstimmung auf: Die Göttinger Stadtkantorei, der Kinder- und Jugendchor der Göttinger Stadtkantorei und das Göttinger Barockorchester ließen am Sonntagabend die ersten drei Teile des Weihnachtsoratoriums erklingen.
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach ist aus der Adventszeit genauso wenig wegzudenken wie das Plätzchenbacken: Für viele ist es jedes Jahr ein fester Punkt auf der vorweihnachtlichen Agenda oder mindestens fester Bestandteil der heimischen Weihnachtsplaylist. Durch die hohe Popularität der Stücke mit ihren teilweise altbekannten Melodien ist das Weihnachtsoratorium ein selten publikumsnahes Stück, bei dem man mitunter selbst miteinstimmen möchte.
Ursprünglich wurden die sechs Teile des Oratoriums an sechs verschiedenen Terminen zwischen dem ersten Weihnachtstag und dem Epiphaniasfest (6. Januar) aufgeführt. Mittlerweile wird es zumeist bereits vor Weihnachten gegeben. Nach einer pandemiebedingten Pause teilten sich die Göttinger Stadtkantorei und die Kantorei St. Jacobi dieses Jahr das Oratorium: Am Sonntagabend waren die ersten drei der insgesamt sechs Teile in der Göttinger St. Johannis-Kirche zu hören, nachdem in St. Jacobi am in der Vorwoche bereits die letzten drei Teile des Oratoriums vorgestellt hatte.
Im weitesten Sinne kann das Oratorium auch als eine Art Theaterstück betrachtet werden. Die Rolle des Evangelisten wurde dabei übernommen von Clemens-C. Löschmann. Dieser sang seine Parts auswendig und baute mit viel Augenkontakt und seinem hellen, klaren Ton einen direkten Draht zum Publikum auf, dem er die wohlbekannte Weihnachtsgeschichte als Erzähler präsentierte. Mit den durch anspruchsvolle Koloraturen geprägten Arien und weiteren Rezitativen waren die Sopranistin Johanna Neß, die Altistin Anna Haase von Brincken sowie im Bass Konstantin Heintel betraut. Die Solist:innen überzeugten mit einer fesselnden Bühnenpräsenz.
Darüber hinaus ist selbstverständlich die Göttinger Stadtkantorei zu nennen, welche als Chor die für die Erlösung bestimmte Menschheit darstellte. Die beeindruckende Artikulation der Sänger:innen machte den Text im Programmheft mitunter überflüssig. Besonders positiv fielen auch die gelungene Phrasierung und Dynamik auf, welche, etwa im Choral „Wie soll ich dich empfangen“, mitunter Gänsehaut hervorriefen.
Zwischen den klassisch schwarzgekleideten Sänger:innen war ungewöhnlicherweise ganz in Bunt der Kinder- und Jugendchor der Göttinger Stadtkantorei zu finden: Diese übernahmen im ersten Teil den Cantus Firmus, der sonst von den Sopranistinnen des Chores oder einem Solo-Sopran gesungen wird. Die Kinder wurden von Carolin Hlusiak sehr gut auf ihren Auftritt vorbereitet und folgten dem Dirigat von Bernd Eberhardt konzentriert, Einsätze und Absprachen meisterten die jungen Sänger:innen mit hoher Präzision.
Vor dem Chor positioniert war das Göttinger Barockorchester, welches an diesem Abend als stete Begleitung der Sänger:innen die meiste musikalische Arbeit zu leisten hatte. Besonders die Continuo-Gruppe ist hier lobend zu erwähnen. Ebenso positiv traten die Instrumentalist:innen in der den zweiten Teil einleitenden „Sinfonia“ hervor. Weiterhin sorgten die gefühlvollen Solo-Parts des Konzertmeisters Hans-Henning Vater im dritten Teil sowie die der Solo-Flöte und -Oboe für besinnliche Momente. Allgemein wäre eine bessere Hörbarkeit der charakteristischen Holzbläser hinter den Streichern zwar wünschenswert gewesen, insgesamt war die Spielfreude des Orchesters allerdings unbestreitbar hör- und auch sichtbar.
Das nach Konzertende optimal auf die baldigen Weihnachtstage eingestimmte Publikum der gut gefüllten Kirche dotierte die reife Leistung des Gesamtensembles mit reichlich Applaus und mitunter Standing Ovations, bevor es für alle über den Göttinger Weihnachtsmarkt wieder hinaus in die kalte Adventsluft ging.