Bei den diesjährigen Internationalen Händel-Festspielen Göttingen verabschiedeten sich der künstlerische Leiter Laurence Cummings und der geschäftsführende Intendant Tobias Wolff nach zehnjähriger gemeinsamer Leitung der Festspiele.
Im Programmheft zum 2. Stiftungskonzert haben sich beide über den jeweils anderen geäußert. Lesen Sie diese sehr persönlichen Texte im Wortlaut.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen GmbH.
Demut, Magie und Herzenswärme
Tobias Wolff über Laurence Cummings
Fehler in Menschen zu entdecken und zu kritisieren, kann eigentlich jeder. Viel schwerer ist es, individuelle Potentiale zu erkennen und zu fördern – vor allem solche, die vielleicht erst in ferner Zukunft zum Tragen kommen. Wer das meisterhaft beherrscht, ist Laurence Cummings. Falsche Noten oder Rhythmen interessierten ihn viel weniger als die guten Töne. Die entfaltet er, auf denen baut er auf. Ob Künstler versiert sind in barocken Verzierungen, war ihm bei unseren unzähligen gemeinsamen Vorsingen manchmal erstaunlich egal: „Sänger müssen singen können. Barock kann ich selbst.“
Ich könnte von seiner Herzenswärme schwärmen. Von seinem Humor. Könnte schmunzeln über seine charmante Schusseligkeit bei vielem, was sich außerhalb der Proben und Konzerte abspielt. Könnte erzählen, dass Laurence Publicity egal ist – was es so leicht macht, ihn noch mehr zu lieben, gleichzeitig oft aber auch eine Zumutung ist für jede Marketingabteilung. Könnte berichten von einem absoluten Vertrauen in unsere Zusammenarbeit, die mir manchmal fast schon etwas unheimlich war.
Als Musiker kann er die Zeit anhalten, Wunder vollbringen, zu Tränen rühren und überschwängliche Freude bereiten. Als Dirigent des FestspielOrchesters Göttingen kann er jedem Akkord, jedem Ton eine Farbe geben. In früheren Zeiten, als Künstlerpersönlichkeiten noch auf Podeste gehoben und beweihräuchert wurden, hätte man ihn bewundernd „Meister“ oder besser noch „Maestro“ genannt. In Göttingen war er schlicht „Laurence“. Danke für zehn unvergessliche Jahre – und alles erdenklich Gute auf Deinem weiteren Weg!
Energie für die ganze Stadt
Laurence Cummings über Tobias Wolff
Meine erste Begegnung mit Tobias fand in London statt. Die Kandidaten, die in der engeren Auswahl für die Stelle des Intendanten standen, waren eingeflogen worden, um mich zu treffen (ich fühlte mich sehr erwachsen!), und ausgerechnet an diesem Tag hatte die Londoner U-Bahn eine Riesenverspätung. Ich kam gerade von einer Probe und war spät dran.
Die Gruppe der Bewerber war hochkarätig, aber nur Tobias war aufgefallen, dass ich Gastgeber einer Abendveranstaltung mit Preisverleihung in der Royal Academy of Music war, wo wir uns trafen, und bot mir an, seine Präsentation kurz zu halten. Er fasste alles, was er zu sagen hatte, auf brillante Weise zusammen, und ich ging mit einem Gefühl der Gelassenheit aus diesem Gespräch, ich war beruhigt, beeindruckt und begeistert und kam sogar rechtzeitig zu meiner Veranstaltung! Ich wusste sofort, dass Tobias die perfekte Wahl war: freundlich, inspirierend, einfühlsam und mit viel Sinn für Humor.
Seitdem haben wir insgesamt neun Festspiele zusammen organisiert. Selbst in den besten Zeiten gleicht die Planung von Festspielen einer Achterbahnfahrt, und die letzten beiden Jahre waren nicht gerade die besten Zeiten.
Wir hatten lange auf das hundertjährige Jubiläum 2020 hingearbeitet, aber es sollte nicht so werden, wie wir es geplant hatten. Auf seine typisch akkurate und elegante Art hat Tobias es geschafft, die wesentlichen Inhalte der Festspiele von 2020 zu verdichten und in das Jahr 2021 zu versetzen.
Tobias hat eine sehr klare Vorstellung davon, wie Musik aufgeführt und rezipiert werden sollte, und ich teile diese Vorstellung ganz und gar. Ich habe jede Minute unserer gemeinsamen Zeit genossen. Über die Jahre haben wir ein starkes Band des Vertrauens und der Freundschaft geknüpft, das ich immer schätzen und bewahren werde.
Tobias arbeitet wirklich hart. Er erzählte mir, wie viele Stunden er brauche, um einen Förderantrag auszufüllen, und selbst dabei hatte er immer ein Lächeln und einen Scherz parat, obwohl dies nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, wie ich weiß. Mit seiner positiven Einstellung und seiner Energie könnte er die ganze Stadt Göttingen mit Strom versorgen.
In den letzten zehn Jahren ist Tobias zu einem echten Freund geworden und ich bin so dankbar für die Zeit, die wir gemeinsam erlebt haben, und all die schöne Musik in dieser Zeit. Schon jetzt vermisse ich unsere Planungssitzungen und weiß, dass Tobias und ich die Händel-Festspiele und die schöne Stadt Göttingen für immer in unseren Herzen tragen werden.