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Zukunftsvertrag der Stadt Göttingen

Information
Artikel von Jens Wortmann - Erschienen am 12.März 2012

Ein Kommentar von Jens Wortmann

neues-rathausEin großes Ziel – endlich schuldenfrei! Das ist eine große Verlockung für eine Kommune, die sich wie die meisten Kommunen schon seit langem im Würgegriff der Zinslasten und der Genehmigung ihrer Haushalte befindet.

Dabei ist es ja nicht so, dass die Schieflage des Haushaltes der Stadt durch schlechtes Wirtschaften zustande gekommen ist. Vielmehr haben Entscheidungen des Bundes und des Landes dafür gesorgt, dass die Stadt Göttingen immer weniger Handlungsspielraum hat und immer mehr Aufgaben schultern muss, die sich die Stadt gar nicht leisten kann.

Die Folgen sind klar: der Haushalt ist nicht ausgeglichen, die Verschuldungsquote steigt immer weiter, die Zinslasten sind geradezu erdrückend.

Da erscheint das Angebot aus der Landeshauptstadt wie ein Rettungsengel: das Land nimmt der Stadt die Schulden ab – die das Land der Stadt über die letzten Jahre selber aufgebürdet hat. Diese „Zurücknahme" ist aber erstens nur ein einmaliger Effekt und sorgt außer den geringeren Zinszahlungen keineswegs dauerhaft zu weniger Pflichten der Stadt, und zweitens ist die Erstattung an die Bedingung geknüpft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und gleichzeitig die Höhe der „freiwilligen Leistungen" auf unter 4 % des Haushaltes zu drücken.

Ohnehin sind die freiwilligen Leistungen der flexibelste Bereich der Stadt; das haben die Kultureinrichtungen Göttingens in den letzten Jahren schon spüren dürfen. Jetzt aber geht es an's Eingemachte, die Kultureinrichtungen dürfen das ausbaden, was Bund und Länder der Stadt eingebrockt haben. Der angebotene Zukunftsvertrag wird den Bürgern als Chance angepriesen – das Wort Nötigung wäre eigentlich angebrachter.

Die von der Verwaltung erarbeiteten Sparvorschläge wurden natürlich nicht mit den betroffenen Einrichtungen besprochen oder gar erarbeitet, ganz nach dem Motto „Willst Du den Sumpf trockenlegen, darfst Du nicht die Frösche fragen". Hier geht es aber nicht um einen Sumpf, sondern es geht um die grundlegende Frage: Wie viel Lebensqualität stellt die Stadt zur Verfügung? Diese Frage überlässt sie nun in der Diskussion den Betroffenen – und nimmt in Kauf, dass sich die Kultureinrichtungen nun gegeneinander ausspielen lassen müssen.

„Wir wollen in der Kulturlandschaft stabile Verhältnisse schaffen und keine labilen", so äußert sich die Kulturdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck. Den erfolgreich arbeitenden Einrichtungen KAZ, Junges Theater und Göttinger Symphonie Orchester werden Kürzungen zugemutet, die nicht nur weit entfernt von stabilen Verhältnissen sind, sondern existenzgefährdend sind.

Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt sind aufgefordert, die Verwaltungsvorschläge zu diskutieren. Ein erstes Zwischenergebnis ist erschütternd: die Befürworter eines Vorschlages sind in der Regel diejenigen, die mit der Kultureinrichtung persönlich nichts zu tun haben und es deshalb für überflüssig erachten. Die Kritiker kommen in der Regel aus dem Dunstkreis der betroffenen Einrichtung.

Und die Politik? Der Rat der Stadt Göttingen hat die Vorschläge der Verwaltung zum selben Zeitpunkt wie die Öffentlichkeit erfahren. Der Kulturausschuss hat die Vorschläge mehr oder weniger über sich ergehen lassen, die einzige kritische Stimme kam vom beratenden Mitglied des Ausschusses, also nicht von einem Ratsmitglied. Diese vielfach neu gewählten Ratsmitglieder müssen nun sehr kurzfristig über Wohl und Wehe entscheiden. Eine öffentlich wahrnehmbare Diskussion findet nicht statt. Das ist geradezu beschämend!

So wird passieren, was passieren muss: es gibt gar keine Alternativen, die Politik ist ratlos – und so werden die Vorschläge abgenickt werden – vielleicht mit ein paar Änderungen.

Was kann oder sollte getan werden? Um dezidierte Gegenvorschläge machen zu können, wo in der Verwaltung besser gespart werden kann, fehlt den meisten Bürgerinnen und Bürgern das Wissen. Der einzige Weg scheint es, die Ratsmitglieder zu informieren – und Empörung über den eingeschlagenen Weg zu verbreiten.

„Wir können uns doch nur die Kultur leisten, die wir bezahlen können" ist die verbreitete Meinung vieler. Wenn diese Meinung geäußert wird, nicken viele: „Ich selber kann ja auch nur das ausgeben, was ich habe", wird dann gerne erwidert. Das unterstellt, dass eine Kommune auch nur betriebswirtschaftlich rechnen darf. Das aber ist falsch! Die öffentliche Hand nimmt öffentliche, hoheitliche Aufgaben wahr, die vorgehalten werden müssen. Dazu zählt auch die Finanzierung eines Kulturangebotes – das ist schon seit Menschengedenken so. Und zwar sowohl in die Soziokultur als auch in die sogenannte Hochkultur, die auch gerne Leuchttürme genannt werden. Der Professor, der sich nie im KAZ blicken lässt, und die Hardrockliebhaberin, der das Symphonieorchester egal ist, dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Es muss möglich sein, den Haushalt ausgleichen zu können, ohne die Kultur der Stadt kaputt zu sparen und irreversiblen Schaden anzurichten. Wenn es jedoch nicht möglich ist, an diesen freiwilligen Leistungen noch mehr zu sparen, ohne die Existenz der Einrichtungen zu gefährden, dann muss der Zukunftsvertrag abgelehnt werden. Die Stadt Göttingen hat die Aufgabe, gemeinsam mit anderen Kommunen z.B. im Deutschen Städtetag und über ihre Landtags- und Bundestagsabgeordneten für mehr Gerechtigkeit bei der finanziellen Ausstattung der Kommunen zu sorgen. Das ist der einzige Weg, der zielführend ist. Denn das Ziel muss es sein, die kulturelle Vielfalt dieser Stadt zu erhalten und lebensfähig zu halten.