Schnelle Beschlüsse über 19,5 Millionen notwendig
In einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Bauen und Kultur wurden die Ratsmitglieder über das Sanierungskonzept der Göttinger Stadthalle informiert. Berichtet hat vor allem Architekt Lothar Ülsmann von der Architektengruppe Wagener aus Göttingen.
Das Büro wurde von der Stadt Göttingen beauftragt, den Sanierungsbedarf der in die Jahre gekommenen Stadthalle zu ermitteln. Mit dem Bericht der Gutachter wird nun dokumentiert, was eigentlich schon lange bekannt ist: es gibt in dem 1964 eröffneten Bau gewaltigen Sanierungsbedarf. Wird jetzt nicht gehandelt, droht die behördliche Schließung. Denn die Mängel betreffen auch den Brandschutz. Aber betroffen sind eigentlich alle Bereiche: Fluchtwege, Backstagebereich, Künstlergarderobe, Akustik, Be- und Entlüftung, Tagungsräume und so weiter.
Ülsmann und seine Kollegen haben zusammen mit 10 weiteren Firmen sehr genau analysiert, wie der Zustand zurzeit ist und was zur Sanierung notwendig ist. In über 400 Einzelpositionen ist jeder Einzelposten aufgeführt. Eine Arbeit, die den schnellen Start des Projektes definitiv erleichtert.
Mit dem Sanierungskonzept empfehlen die Gutachter eine Komplettsanierung der Stadthalle: das Gebäude wird bis auf den Betonrohbau zurückgebaut. Denn der Beton ist der einzige Gebäudeteil, dem halbwegs gute Noten attestiert werden. Alles andere muss ersetzt werden. Dazu zählt auch die markante Kachelfassade, die der Wiesbadener Architekt Rainer Schell 1964 gestaltet hat. „Die Aufhängung ist geradezu abenteuerlich, die Fassade lässt sich kaum retten“, erläutert Ülsmann.
Die Folge einer solch großen Baumaßnahme sind nicht nur die Kosten von 19,5 Millionen Euro, die die Stadt stemmen muss. Sondern auch eine Schließzeit des Gebäudes von ca. 2 Jahren.
Das hat gewaltige Auswirkungen für den Kulturbetrieb in Göttingen. Für das Göttinger Symphonie Orchester (GSO) muss eine Ausweichspielstätte gefunden werden. Das Gleiche gilt für die Internationalen Händel-Festspiele, deren Jubiläumsprogramm 2020 bereits in Planung ist. „Eine Verlegung der Stadthallen-Konzerte in andere Spielstätten hat unmittelbare Konsequenzen für die Einnahmesituation der Festspiele“, weist Intendant Tobias Wolff die Ratsmitglieder hin, die zum Teil auch im Aufsichtsrat der Festspiele sitzen. Das gilt sicherlich auch für das GSO.
Und natürlich müssen auch alternative Orte für all die anderen Veranstaltungen gefunden werden. Besonders ärgerlich ist, dass durch die Unentschlossenheit im Rat über die vielen Jahre der Diskussion so viel Zeit verloren wurde, dass nunmehr die Probleme vorprogrammiert sind: genau in der Sanierungsphase steht auch die Göttinger St. Johanniskirche nicht als alternative Spielstätte zur Verfügung. Die Kirche wird im Jahr 2018 ebenfalls saniert. Ein Verschieben dieser Maßnahme ist nicht möglich, weil die in Aussicht gestellten Bundesmittel innerhalb gesetzter Fristen abgerufen werden müssen.
Sollte die Lokhalle als erste Alternative herhalten, sind bei der Betreiberin GWG ebenfalls Verluste vorprogrammiert: es sind nicht nur die Einnahmeverluste aus den Vermietungen der Stadthalle zu erwarten, sondern auch aus der Lokhalle, wenn diese dem GSO oder den Händel-Festspielen zu ähnlichen Konditionen zur Verfügung gestellt wird. Das sind Kosten, die die Stadt Göttingen ebenfalls wird schultern müssen.
Dennoch gibt es zur Sanierung der Stadthalle keine Alternativen. Ein Abriss und Neubau würde die angesprochenen Probleme nicht beseitigen. Dafür aber die Kosten gewaltig erhöhen, nämlich mindestens verdoppeln. Dazu kommen noch die Entsorgungskosten beim Abriss. Der Vorteil allerdings wäre, dass man das Gebäude insgesamt zeitgemäßer planen könnte: so könnten die Anforderungen an ein Konzerthaus genauso berücksichtig werden wie die Anforderungen an Popkonzerte, Bälle, Kongresse oder Tourneetheater. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sich die Ratsmitglieder für diese Variante entscheiden werden. Denn schon der von den Gutachtern empfohlene Anbau (für weitere ca. 9,5 Millionen Euro) wird von der Verwaltung als nicht notwendig erachtet.
Es bleibt nun zu hoffen, dass die Ausschüsse, Fraktionen und der Rat sich schnell positiv entscheiden können, um nicht noch weitere Verzögerungen entstehen zu lassen. Nur wenn jetzt schnell und positiv entschieden wird, lässt sich erstens eine behördliche Schließung der Stadthalle vermeiden und zweitens ergibt sich nur dann vielleicht die Möglichkeit, doch noch vor den Jubiläums-Festspielen im Jahr 2020 den Neubau der Stadthalle fertigzustellen. Denn ein Neubau ist das quasi.
Für den Kulturbetrieb in Göttingen sind die Aussichten auf eine sanierte Stadthalle (übrigens dann mit einem größeren Platzangebot) durchaus so attraktiv, dass man die Schließungszeit wird ertragen können. Ob die Einnahmeverluste der Kultureinrichtungen in dieser Zeit auch ertragen werden können, müssen die Aufsichtsräte von GSO, Händel und GWG entscheiden. Es wäre besser, wenn diese sich bereits jetzt mit diesem Thema beschäftigen.