Festakt zum 100. Geburtstag von Franz Herzog, dem Gründer des Göttinger Knabenchores
Vor 100 Jahren, am 30. Mai 1917, wurde im kleinen Dorf Görschwitz im Vogtland Franz Herzog geboren, der spätere Gründer des Göttinger Knabenchors. Der Geburtstag war am Sonnabend Anlass für die Enthüllung einer Gedenktafel am Eingang des Felix-Klein-Gymnasiums (FKG) sowie für eine Feierstunde mit Grußworten, einem Festvortrag und musikalischen Beiträgen des Göttinger Knabenchors und des Schulorchesters des FKG, das durch Mitglieder des Jugend-Sinfonie-Orchesters Göttingen (JSO) verstärkt war.
Herbert Schur, Vorsitzender des Göttinger Knabenchor e. V., als Kind unter Herzog Mitglied des Knabenchors und später – inzwischen pensionierter – Lehrer am FKG, hielt die Laudatio zur Enthüllung der Tafel. Dabei zeichnete er die Lebensstationen Herzogs nach, der in jungen Jahren Mitglied des Dresdner Kreuzchors wurde, dort bis zum Chorpräfekten aufstieg, also Einstudierungsarbeit leistete und den Leiter – damals Rudolf Mauersberger – bisweilen vertrat. 1938 legte der 21-jährige Herzog die Chormeisterprüfung ab, heiratete 1939, leistete von 1939 bis 1945 Kriegsdienst und bestand 1940 im Urlaub das Kapellmeisterexamen. Nach Kriegsende 1945 floh die Familie in den Westen und gelangte nach Abbensen bei Peine. Dort wirkte Franz Herzog als Musiklehrer, als Leiter des Städtischen Chores Peine und als Leiter des Orchesters der Braunschweigischen Musikgesellschaft. Anfang 1953 übernahm Herzog die Stelle des Musiklehrers an der Oberschule für Jungen in Göttingen, dem späteren Felix-Klein-Gymnasium. Dort gründete er einen Schulchor, aus dem 1962 der Göttinger Knabenchor wurde, also offen auch für Schüler anderer Lehranstalten. Daneben leitete Herzog von 1953 bis 1962 den Katholischen Männerchor „Cäcilia“.
Bis 1980 war Herzog Leiter des Knabenchors, den er mit Konzertreisen ins In- und Ausland, mit Schallplattenproduktionen sowie Rundfunk- und Fernsehaufnahmen überregional bekannt machte. Bald schon war der Göttinger Knabenchor auch musikalischer Repräsentant der Stadt, etwa bei der Einweihung der Stadthalle am 1. September 1964, bei der Einweihung des Synagogendenkmals 1973 und bei weiteren Gelegenheiten. Zu den Höhepunkten der Chorgeschichte unter Herzog gehört die Mitwirkung bei den Göttinger Händel-Festspielen in den 1970er-Jahren, unter anderem bei den Oratorien „Messias“ und „Judas Makkabäus“. 1980 musste sich Herzog aus gesundheitlichen Gründen von der Chorleitung zurückziehen, er starb am 28. Februar 1986. Herzog sei ein „fruchtbarer, vielseitiger Komponist“ gewesen, der etwa 200 Werke hinterlassen habe so Herbert Schur.
Wegen der Wohnungsnot, die bei Herzogs Dienstantritt an der Oberschule in Göttingen herrschte, wohnte er von 1953 bis 1956 im „Kleinen Lehrerzimmer“ seiner Schule, einem neun Quadratmeter großen Raum gleich neben dem Musiksaal. Und weil Gedenktafeln in Göttingen üblicherweise an den Wohnstätten der Geehrten angebracht werden, ist die Herzog-Tafel nun am FKG-Eingang platziert – mit der korrekten Datierung „1953 bis 1956“.
Zur Eröffnung der Feierstunde betonte Hausherr Michael Brüggemann, Direktor des FKG, Herzog sei ein „begnadeter Musikpädagoge“ gewesen. Er appellierte an die Verantwortlichen, dem Göttinger Knabenchors endlich eine „feste Heimstatt“ zu geben. Dafür eigne sich hervorragend das Obergeschoss des „Kleinen Felix“ in der Bürgerstraße, das genügend erforderlichen Raum biete. In seiner Begrüßung forderte Herbert Schur für Michael Krause, den heutigen Leiter des Göttinger Knabenchor und Musiklehrer am Otto-Hahn-Gymnasium, eine „angemessene Entlastung durch die Schulleiter“, um die Mehrarbeit durch die Chorleitung auszugleichen. Eine solche Entlastung habe Franz Herzog stets erhalten.
Thomas Häntsch, CDU-Ratsherr, ehemaliger Direktor des FKG und einer der Göttinger Bürgermeister, überbrachte die Grüße von Rat und Verwaltung und hob hervor, dass die Stadt Göttingen stets vom Knabenchor profitiert habe. In diesem Zusammenhang zitierte er den früheren Göttinger Oberbürgermeister Artur Levi, der den Chor einmal „das Kronjuwel der Stadt Göttingen“ genannt habe. Der Chor genieße „Respekt und Sympathien quer durch alle Fraktionen des Rates“, er sei ein „schön klingendes Repräsentationsinstrument“. Häntsch schloss sich ausdrücklich der Forderung Schurs an, dass Michael Krause „eine Entlastung im Hauptamt“ erhalten solle.
Namens der Göttinger Kulturstiftung wünschte Klaus Wettig, der Vorsitzende des Stiftungsbeirates, dass die Chorarbeit und die Pflege des Andenkens des Komponisten Franz Herzog durch die Stadt Göttingen gewährleistet sein sollten. Weitere Grußworte sprachen Tobias Wolff als Geschäftsführender Intendant der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen und Detlef Nietsch, der Vizepräsident des Chorverbandes Niedersachsen-Bremen.
Den Festvortrag hielt der Dresdner Musikhistoriker Prof. Matthias Herrmann. „Ich weiß von Franz Herzogs Existenz seit 50 Jahren“, berichtete er: Als Mitglied des Dresdner Kreuzchores seit 1966 habe er bei etlichen Kompositionen Herzogs mitgesungen, die immer wieder von Kreuzchor aufgeführt worden seien. Er ordnete den Komponisten Herzog in das Umfeld der Vorbilder Hugo Distler, Günther Raphael und Arnold Mendelssohn ein und verwies darauf, dass Herzog als Kruzianer „mit den Bachschen Großwerken aufgewachsen“ sei. Kreuzchor-Dirigent Rudolf Mauersberger habe Herzog bereits 1937 eine „erstaunliche Reife“ in seinen Chorkompositionen bescheinigt. Mit der Uraufführung der „Palmström-Suite“ 1957 habe Herzog – Überschrift der Rezension des Göttinger Tageblatts – „Neues Leben in der Schulmusik“ entwickelt. Ludwig Finscher, Rezensent der Göttinger Presse, habe die Suite beschrieben als „eine Musik, die munter, frech und witzig gegen den Strom schwimmt“. Als Herzogs bestimmende Eigenschaften beschrieb Herrmann eine „Mischung aus Strenge und Güte, aus Ernsthaftigkeit und Heiterkeit“. In seiner Musik habe er „konstant die klangliche Komponente“ gesucht, auch in dissonanten Partien und bei vertrackter Rhythmik. Darüber hinaus habe Herzog stets gern „eine Brücke zur sogenannten U-Musik“ geschlagen.
Das konnten die Gäste der Feierstunde zunächst an einem Instrumentalwerk Herzogs nachvollziehen, dem Schlussrondo aus der „Kleinen Symphonie für junge Musikanten“ von Franz Herzog, die das FKG-Schulorchester zusammen mit dem JSO unter der Leitung von Fabian Haller schwung- und effektvoll vortrug. Für eine Herzog-Uraufführung hatten sich die Männerstimmen des Knabenchors mit Ehemaligen unter der schwungvollen Leitung von Michael Krause zusammengetan: zwei einfallsreiche Eichendorff-Vertonungen („Glückwunsch“ und „Wohl vor lauter Singen, Singen“), in denen die von Herrmann hervorgehobene Mischung von Ernsthaftigkeit und Heiterkeit sehr deutlich zutage trat. Drei ausdrucksstarke Volksliedbearbeitungen („Im Märzen der Bauer“, „Rote Wolken“ und „Ging ein Weiblein Nüsse schütteln“) zeigten abermals unterhaltsam und mit einigen hübschen Überraschungen die Charakteristika des Herzogschen Stils.
Zum guten Schluss warb Brigitte Schur, zuständig für das Konzertmanagement der für 2018 geplanten Japanreise des Göttinger Knabenchors, eindringlich für das Crowdfunding-Projekt des Chores, mit dessen Hilfe die Finanzierungslücke dieser Reise geschlossen werden soll (Internet: www.startnext.com/japan2018). Nötig ist das Geld zum einen dafür, dass die Choristen zu einem vertretbaren Eigenbeitrag mitreisen können, zum anderen für weitere anfallende Reisekosten (Pianistin, japanischer Organisator). Heiteres Finale der zweistündigen Feier: „What shall we do with the drunken sailor“, eindrucksvoll fröhlich schwankend vorgetragen von den Männerstimmen des Knabenchors und Ehemaligen unter der Leitung von Michael Krause.