Das Göttinger Symphonieorchester hatte zum zweiten Konzert der Reihe „Kulturkirche Klassik“ eingeladen. Bernd Eberhardt leitete die Streicher des Göttinger Symphonieorchesters in der St. Johanniskirche. Vor dem Konzert gab Eberhardt ein bemerkenswertes Statement zur aktuellen Krise in der Ukraine ab.
Auf dem Programm stand zunächst ein eher unbekanntes Werk: die Serenade für Streichorchester von Carl Reinecke. Eigentlich wollte Eberhardt kurz in dieses Werk einführen. Die aktuelle politische Lage verlangte aber noch viel mehr nach einem kurzen Wort vorweg. Zumal die Musiker:innen des Orchesters in besonderer Weise von der Krise betroffen sind, spielen doch seit vielen Jahren sowohl russische als auch ukrainische Mitglieder erfolgreich und freundschaftlich zusammen.
Eberhardt sagte: „Dieses Orchester ist im besonderen Maße ein Beleg dafür, dass das Zusammenwirken von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Geschlecht kein Hindernis, sondern der Garant für eine erfolgreiche Arbeit ist. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis sich diese Erkenntnis global durchsetzen wird.“
Nach einer Gedenkminute für alle von diesem Krieg betroffenen Menschen begann der Konzertabend mit der Serenade von Reinecke.
Das Lächeln des Dirigenten
Carl Reinecke (1824–1910) war mehr als 35 Jahre lang Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Auch war er ein viel beachteter Pianist. Als Komponist wird er als eher konservativ eingeordnet, Mendelssohn Bartholdy und Schumann gehörten zu seinen Vorbildern.
Dennoch hat Bernd Eberhardt keinen Moment gezögert, als das Göttinger Symphonieorchester ihn gebeten hatte, einen Konzertabend mit Streichorchester zu planen: Sofort zog er die Partitur zu Reinekes Serenade für Streichorchester aus seinem Schrank. „Vor vielen Jahren habe ich dieses Werk mit einem Laienorchester aufgeführt. Das Stück war aber viel zu schwer. Das war jetzt die Gelegenheit“, schwärmt Eberhardt von dieser Musik, die sowohl für das Dirigat als auch für die Ausführenden eine Herausforderung sein kann.
Zahlreiche Taktwechsel machen die sechs Sätze zu rhythmisch anspruchsvollen Partien. Bernd Eberhardt gelingt es jedoch, diese mit Leichtigkeit zu überspielen, indem den romantischen Charakter der Serenade in den Vordergrund holt. Das GSO folgt dem exakten Dirigat – und auch dem Lächeln des Dirigenten. So erklingt die Musik leicht und beschwingt. Das wird sowohl im Tutti hörbar, aber auch zum Beispiel in der Fughetta im fünften Satz und vor allem in den Solopassagen mit Seayoung Kim (Violine) und Jaromir Kostka (Cello).
Bei der Aufführung war auch der Urenkel des Komponisten anwesend: Stefan Schönknecht leitet den Reinecke Musikverlag Leipzig und hat zahlreiche Werke seines Vorfahren neu herausgegeben und damit verfügbar gemacht. So auch die Serenade für Streichorchester, die sich als wahre Entdeckung an diesem Abend entpuppte.
Die Suite Aus Holbergs Zeit von Edvard Grieg ist hingegen hinreichend bekannt. Diese Komposition entstand zum 200. Geburtstag des dänischen Dicherts Ludvig Holberg (1684–1754). „Aus Holbergs Zeit“ – das ist also die Barockzeit, und dementsprechend verbindet Grieg barocke mit modernen Elementen. Eberhardt und das GSO machten diese Elemente hörbar: mit barockem Swing und romantischen großen Bögen wurde dieses beliebte Kammerorchesterwerk stilsicher wiedergegeben.
Das Publikum in der gut besuchten Johanniskirche bedankte sich mit anhaltendem Applaus.