Nach lange Pause konzertierte das Göttinger Symphonieorchester wieder im Deutschen Theater. In der Reihe »Symphonie classique« wurde Takeshi Moriuchi als Dirigent eingeladen.
Schon das Konzertpodium erleben manche Zuschauer:innen wie ein Geschenk. Über viele Monate hatten sie im Deutschen Theater auf die musikalischen Begegnungen mit dem Göttinger Symphonieorchester verzichten müssen, weil die geplanten Konzerte in die Lokhalle verlegt wurden. Auf der Bühne begrüßen Gastdirigent Takeshi Moriuchi und das Orchester ihr Publikum mit einem weiteren Geschenk, das nicht im Programm aufgeführt ist. Unter dem Motto Symphonie Classiqueerklingt mit dem Stück Melodie eine solidarische Botschaft. Der ukrainischen Komponisten Myoslav Skoryk hatte sie 1981 für den Antikriegsfilm Der hohe Pass komponiert. Mit den Stimmen der Violinen, der Bratschen und der Celli wird die Melodie zur Schmerzenspoesie, die sich nach einer tröstenden Umarmung sehnt.
Die sanfte Moll-Stimmung hält auch in der Orchestersuite von Jean Sibelius an, in der sich der finnische Komponist mit Pelléas et Mélisande einer tragischen Liebesgeschichte widmete. Es sind bewegende musikalische Bilder, die Takesho Moriuchi mit dem Orchester formt, ohne dass die tragischen Zwischentöne eine betont dramatische Färbung bekommen. Als Klangmaler vertraut der japanische Dirigent auf Pastellstimmungen, die weder einen pastosen Anstrich benötigen noch eine kraftvolle Emphase, wenn sich die melodischen Wendungen mit den beschwingenden Motiven immer wieder verdunkeln und mit den Solostimmen von Englisch Horn, Oboe und Cello wie ein tragischer Abgesang erfahrbar werden.
Mit der Suite Le Tombeau de Couperin von Maurice Ravel kommt ein kapriziöses Element in diesen symphonischen Sonntagnachmittag. So wie der französische Komponist die barocke Klangwelt mit feinsinnigen Aperçus bedachte, genießt jetzt das Publikum die vielen tänzerischen Motive in den schönsten Verzierungen und in einer beschwingenden Klangatmosphäre, in der die Streicher sich gern von Oboe und Flöte beflügeln lassen. Auch hier zeigt sich Taheski Moriuchi als Klangmaler und Gestalter, der der filigranen Form den Vorzug vor dem Grand Spectacle gibt.
Auf die symphonische Dichtkunst machte sich wiederum Sergej Prokofjev seinen vergnüglichen Reim. Da sprudeln die Motive unaufhaltsam und fast euphorisch, als ob sie spontan den Ausbruch aus der sinfonischen Ordnung wagen. Den imposanten Auftakt im Allegro verwandeln die Musiker:innen in stürmische Tableaus, die vor allem eine heitere Stimmung beschwören und keinen dramatischen Aufruhr und mit dem Larghetto fast märchenhaft ausschwärmen. Prokofjev vergnügte sich in seiner kurzweiligen Symphonie auch mit symphonischen Altmeistern wie Joseph Haydn, den er nicht nur musikalisch zitiert. „Wenn Haydn noch lebte“, wird er im Programmheft zitiert, „würde er seine Art zu schreiben beibehalten und dabei einiges vom Neuen übernehmen. Solch eine Symphonie wollte ich schreiben“. Mit Prokofiev feiert das GSO auf der DT-Bühne ein harmonisches Abenteuer, in dem vertraute Klangfarben immer wieder neu collagiert werden, um mit rhythmischen Überraschungen zu verschmelzen. Abenteuerliche Tempi sind zum Finale und dem Molto vivacegefordert, die mit dem filigranen Präzisionskünstler am Pult zum artistischen Vergnügen für Streicher und Bläser werden. Auch dafür gibt es enthusiastischen Beifall.