In der PS.Halle in Einbeck ließ Dorothee Oberlinger mit dem B'Rock Orchestra, dem Countertenor Dmitry Sinkovsky und anderen sich Georg Friedrich Händel und Jimi Hendrix begegnen. Herausgekommen ist mehr als ein Crossover, ein wahres Soundabenteuer begeisterte das Publikum.
Little Wing ist kaum wiederzuerkennen, wenn sich Countertenor Dmitry Sinkovsky mit dem Song von Jimi Hendrix ans Werk macht und dazu noch von Geigen, Blockflöte, Orgel und Kontrabass flankiert wird. Aber vielleicht wäre auch das Arrangement von Lee Santana für die legendäre Rockikone vorstellbar gewesen. Schließlich lebte Hendrix in der Nachbarschaft der ebenso legendären Barockikone Georg Friedrich Händel und soll auch Platten von seinen Oratorien besessen haben. In der Einbecker PS-Halle durften sich Hendrix-Fans und Barockenthusiasten in gleicher Weise von einem Soundabenteuer mit dem B'Rock Orchestra & Dorothee Oberlinger überraschen lassen.
Dass es bei Händel auch mal jazzt und swingt und sogar rockt, steht der historisch informierten Aufführungspraxis seiner Werke keineswegs entgegen. Aber dabei ist auch ein bisschen Mut im Spiel und vor allem schöpferischer Enthusiasmus, wie ihn Blockflötistin Dorothee Oberlinger mit ihrem Händel & Hendrix-Projekt kombinierte. Ihr B'Rock Orchestra lässt bereits mit der Ouvertüre aus dem Oratorium Messiah rockig aufhorchen, wenn der Kontrabass rhythmisch pulsiert. Und wenn in Händels F-Dur Konzert die Blockflöte in virtuose Verzierungen ausschwärmt und die Streicher sich mit Theorbe und Cembalo auf ein tänzerisches Klanggewebe einstimmen, hat das einfach beschwingende Wirkung. Gegen eine gut gelaunte, groovige Stimmung mit ganz viel Drive hätte der barocke Meister sicherlich nichts einzuwenden gehabt und vielleicht sogar mit Klangvisionen im Stil von Klangkollisionen experimentiert, für die Lee Santana seine Theorbe für die E-Gitarre bei Seite stellt.
Rauh sind die Geigenstimmen und nicht fein modulierend, wie später in Händels Konzert F-Dur Der Kuckuck und die Nachtigal“. Auch schrille Töne durchdringen den opulenten Sound, bei dem die Stimme von Dmitry Sarkovsky die expressiven Klangeruptionen in abenteuerlichen Höhenlagen flutet. Konzertantes Flair stellt sich bald wieder mit den ersten Kuckucksrufen ein, bei denen Sebastian Wiegend an der Truhenorgel den Ton angibt. Zunächst in der verhaltenen Stimmung des Andante und dann auch gern ein bisschen frech und vorwitzig, wenn die Kuckucksrufe umtriebig sind, die sich an der Orgel auch wunderbar improvisieren lassen wie das Zwitschern der Nachtigall, das dem gefiederten Zweitöner natürlich gern die Show stehlen möchte, bis sie sich auf ein gemeinsames Duett einlässt.
Auch in seidigen Tönen mag die E-Gitarre für Jimi Hendrix schwingen, um gemeinsam mit der Sopraninoblockflöte und der Orgel dem Song If 6 was 9 einen anderen Klanghorizont zu widmen, bis mit Händels Destruktive War aus dem Oratorium Belshazzar wieder ein symphonischer Höhenflug mit dem gesamten B'Rock Orchestra fällig ist. Verzaubern möchte das musikalische Bündnis natürlich ebenfalls. Mit Countertenor Dmitry Sinkosky umschwärmen Flöte, Cello und Harfe in Händels Kantate Mi palpita il cor die schönsten lyrischen Emphasen. Die werden zum Finale auch von Kontrabass und Fagott rhythmisch aufgefrischt, weil jetzt mit Händels B-Dur Konzert für Harfe und Orchester die Instrumente tanzen und besonders Maximilian Ehrhardt an der Harfe verzaubert, während Lee Santana an der Theorbe ein filigranes Saitengewebe erklingen lässt.
Aus wilden Klangfarben schöpfen die Musiker bei Jimi Hendrix mit Night Bird Flying wie für einen wetterwendischen musikalischen Nachthimmel. An dem lassen sich die Geigen sich mit der Gitarre von dissonanten Stimmfarben beflügeln, und Countertenor Dmitry Sinkovky gönnt seiner Violine einen Abstecher in aufmunternde Folk Regionen mit Fiddle Stimmung für diesem bewegenden Klanghimmel. Der wird zum Konzertfinale mit der Arie „Tu de ciel“ aus Händels Oratorium Il trionfo del tempo e del disinganno auch mit Momenten von Andacht eingefärbt und mit einer wärmenden Glut, die die Violinen verströmen, bevor sie sich zu einem Chor der Stimmen aufschwingen, das vom Publikum euphorisch gefeiert wird. Vermutlich haben bei diesem Soundabenteuer Händel & Hendrix die Hendrix-Fans und die Barockenthusiasten auch immer wieder gern mal die Seiten gewechselt.