Meine Bestellungen

Ihr aktueller Status:

Sie sind Gast auf dieser Seite.

Registrieren Sie sich, um Ihren Status zu ändern.
Bestellen Sie einen Tageszugang oder ein Abonnement, um alle Funktionen freizuschalten und alle Texte lesen zu können.

Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. 
Ihre Möglichkeiten als Benutzer:in auf dieser Seite sehen Sie, wenn Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken)

Warum kann ich diesen PLUS-Artikel lesen?

PLUS-Artikel sind Texte, für die eine freie Mitarbeiterin oder ein freier Mitarbeiter bezahlt wird. Die Umsätze unserer Abonnent:innen dienen zur Finanzierung dieser Leistung.

Auch die Veranstalter als Partner des Kulturbüros tragen zum Beispiel mit ihren Anzeigen zu dieser Finanzierung bei. In diesem Fall hat das Junge Theater Göttingen eine PLUS-Partnerschaft übernommen, damit Sie diesen Text lesen können.

Passend zu diesem Text

  • Informationen
    JT-Premiere »Harold und Maude«

    Skurrile, komische, subtile und nachdenkliche Wendung

    Informationen
    Gespräch mit Regisseur Christian von Treskow
    erschienen am 16 März 2023
    Christian von Treskow Junges Theater Szenenwechsel
  • Dystopisches Szenario auf wenigen Quadratmetern

    Informationen
    Premiere von Juli Zehs »Corpus Delicti« am 29. Januar im Jungen Theater
    erschienen am 31 Januar 2023
    Agnes Giese Dorothea Röger Götz Lautenbach Jens Tramsen Junges Theater Kalma Streun Michael Johannes Mayer
  • Informationen
    JT- Premiere »Corpus Delicti«

    Dramatische Chronik

    Informationen
    Gespräch mit Dramaturg Christian Vilmar
    erschienen am 28 Januar 2023
    Christian Vilmar Junges Theater Szenenwechsel
  • Eine brisante Parabel unserer möglichen Zukunft

    Informationen
    Premiere von »Corpus delicti« am 29. Januar
    erschienen am 19 Januar 2023
    Christian Vilmar Junges Theater Kalma Streun
  • Agnes Giese leitet Theaterprojekt an der IGS

    Informationen
    »Momo« von Michael Ende
    erschienen am 18 Januar 2023
    Agnes Giese Junges Theater
  • Vor ihnen ist kein Rätsel sicher

    Informationen
    »Die drei ??? Kids – Der Der singende Geist«
    erschienen am 04 Dezember 2022
    Junges Theater Nico Dietrich
  • Informationen
    JT-Premiere »Die drei ??? Kids – Der singend Geist«

    Detektivischer Spürsinn

    Informationen
    Gespräch mit JT-Intendant Nico Dietrich
    erschienen am 01 Dezember 2022
    Dylan Sarah Junges Theater Nico Dietrich
  • Komödiantisches Chaos

    Informationen
    Die Krimikomödie »Achtsam morden« 
    erschienen am 27 November 2022
    Fabienne Elisabeth Baumann Jens Tramsen Junges Theater Michael Johannes Mayer Sascha Mey
  • Informationen
    JT-Premiere »Achtsam morden«

    Ungeahnte Möglichkeiten

    Informationen
    Gespräch mit Regisseur Sascha Mey
    erschienen am 24 November 2022
    Junges Theater Sascha Mey Szenenwechsel
  • Kinder- und Jugendtheater am Wall

    Informationen
    erschienen am 19 Oktober 2022
    Carolina Löwenstein. Junges Theater
Information
PLUS-Artikel - freigegeben für alle Leser:innen
Junges Theater

Der ewige Schmerzensmann

Information
Premiere von Büchners »Woyzeck« in der Inszenierung von Tobias Sosinka und Christian Vilmar
Rezension von Tina Fibiger - Erschienen am 18.Oktober 2022

Es gibt keinen wohnlichen Ort auf der Bühne des Jungen Theaters, nur hölzerne Palisaden, zwei Podeste, wenige Requisiten und diesen Zirkusvorhang, der sich manchmal für ein launiges Intermezzo hebt. Unbehaust erscheint auch Georg Büchners »Woyzeck«, wie er sich durch seine täglichen Pflichten kämpft und hungert und ständig von Albtraumvisionen umklammert wird. Es gibt auch eine Unerträglichkeit des Seins, ohne eine Spur von Leichtigkeit, die in der Inszenierung von Tobias Sosinka und Christian Vilmar Inszenierung Ausdruck kommt. Sie widmen diesem ewigen Schmerzensmann Woyzeck ein schmerzhaft dramatisches Porträt.

Zunächst belebt ein großes Jahrmarktspektakel den Raum mit seinen starren Wänden im Bühnenbild von Susanne Ruppert. Allzu gerne möchte sich Woyzeck mit seiner Marie von all dem Budenzauber mit dressierten Affen und Pferden berauschen lassen, das schöne Schwindelgefühl beim Tanzen genießen. Michael Johannes Mayer lässt bereits die Anspannung ahnen, die seinen Woyzeck umtreibt. Wie er nach seinen letzten Münzen greift, um Marie (Fabienne Elisabeth Baumann) mit dem tierischen Budenzauber eine Freude zu machen, die den Versprechungen des Ausrufers (Jan Reinartz) so gern folgen möchte. Und wie er die Blicke des Tambourmajors (Jens Tramsen) auf seine glücklich strahlende Gefährtin verfolgt. Fast scheint es, als ahnt er bereits, dass sie ihn betrügen wird. Für die Aussicht auf bisschen mehr Wohlstand und eine militärisch herausgeputzte starke Schulter; all das, was ihr Woyzeck gern versprechen, aber nicht bieten kann.
Der verausgabt sich bis zum letzten für sie und ihren unehelichen Sohn, wenn er nicht nur für seinen mageren Soldatensold strammsteht, sondern als Versuchskaninchen für den Doktor (Dorothea Röger) drei Monate lang nur Erbsen essen darf und mit Verhaltensregeln drangsaliert wird. Weitere Almosen kann er bei seinem Hauptmann (Jan Reinartz) abschöpfen, den er täglich rasiert, und der ihn dafür mit Bekundungen über Moral und Anstand und Tugend bedrängt.

Es wird immer enger zwischen den Holzfronten, wo es bald nur noch um das Dulden und das Aushalten geht, die verächtlichen Blicke von allen Seiten auf den erschöpften Looser, wie er ewig hetzt, anstatt ein guter Mensch zu sein, der sich gefälligst in sein Schicksal zu fügen hat. Mit dem Soldaten Andres (Tobias Schaaf) schleppt sich ein Bettler mit Ästen durch das vermeintlich freie Feld, den immer wieder apokalyptische Visionen heimsuchen und diese scherzhaft quälende Eifersucht.

Der Hauptmann wird mit seinen Verdächtigungen das Messer noch tiefer in die Herzwunde treiben und der Doktor sein Versuchsobjekt als erfolgreiches wissenschaftliches Hungerexperiment öffentlich vorführen. Für diesen Woyzeck spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass sich Marie in ihren Gewissensnöten an Bibelzitate klammert und die ewig lauernde Magreth (Agnes Giese) die tragische Geschichte vom einsamen Kind und seinen vergeblichen Himmelsträumen wie einen spöttischen Abgesang verkündet.

Es ist auch eine Geschichte vom Verlust der Menschenwürde, die Tobias Sosinka und Christian Vilmar mit dem Porträt des ewigen Schmerzensmann Woyzeck erzählen. Wer am untersten Rand der Gesellschaft um sein Überleben kämpft, muss sich ausbeuten und demütigen lassen und hat auch keinen Anspruch auf Empathie. Eine ebenso herrische wie mitleidslose Haltung drängt aus den Figuren heraus, wie sie sich mit den Verhältnissen, so wie sie sind, arrangiert haben. Büchners Aufruf „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ fände bei ihnen kein Gehör. 

»Woyzeck« von Georg Büchner in der Inszenierung von Tobias Sosinka und Christian Vilmar hatte am 8. Oktober 2022 Premiere im Jungen Theater Göttingen.