Tobias Wolff sitzt längst auf gepackten Umzugskartons – aber für die letzten Händel-Talks hat er sich noch einmal in Schale geworfen und vor die Kamera begeben. Zu Gast waren alte Bekannte: am 20. Mai traf er sich mit der Mezzosopranistin Emily Fons, einen Tag später mit dem „Paganini der Blockflöte“ Maurice Steger.
Ganz und gar nicht schlaflos, sondern fröhlich und ausgeschlafen meldete sich Emily Fons live aus Seattle. Während in der Nähe des Händel-Studios die Glocken der Albanikirche zum Freitagabend-Geläut zu hören waren, war Fons gerade mit dem Frühstück durch. Das Gespräch mit Fons die 2014 und 2015 in Göttingen begeistert hatte, wurde ausschließlich in englischer Sprache geführt. Das ist insofern schade, weil nicht alle Besucher:innen des Videokanals so sattelfest im Englischen sind, wie es Tobias Wolff ist. Zudem sind seine Übersetzungen in Gesprächen, die er führt, häufig so unterhaltsam wie das Gespräch selbst.
Und das war es an diesem Abend durchaus. Fons und Wolff plauderten über große und kleine Bühnen, über Regietheater und zeitgenössische Musik, über ihre Erinnerungen an Göttingen und über die Situation bei ihr in den USA in Corona-Zeiten. Es ging um Hosenrollen, wie sie Fons 2014 in Händels Faramondo als Titelheld(in) verkörpert hat. Und ihre Rollen mit Rossini, Verdi oder Mozart.
Obwohl der Bogen so weit gespannt war, war das Gespräch niemals oberflächlich. Immer wieder stellte der scheidende Händel-Intendant relevante Fragen. Freuen dürfen wir uns auf Emily Fons in der Titelrolle von Händels Oper Ariodante, mit dem Festspielorchester Göttingen unter der Leitung von Laurence Cummings – sicher einer der Höhepunkte zu den Festspiele, die nun für Anfang September terminiert sind.
Bei diesen Festspielen wird auch Maurice Steger zu Gast sein. Er freut sich schon auf das Musizieren mit Laurence Cummings – „Mister Handel himself“, wie er ihn im Talk beschrieb. Wie Emily Fons hat er wunderbare Erinnerungen an Göttingen. Sein letzter Auftritt in dieser Stadt war allerdings außerhalb der Festspiele: am 12. März 2020 gastierte er mit dem Göttinger Symphonie Konzert zum Konzert „Inspiration Telemann“ in der Aula am Wilhelmsplatz. Es gab zwei Konzerte am selben Tag, eines um 18.45 Uhr, das zweite um 20.45 Uhr. Zwischen den Konzerten lief um 20 Uhr die Tagesschau im Fernsehen, in der die Schließung der Schulen und der allgemeine Lockdown verkündet wurden. Steger wird dieses Konzert nicht vergessen: viele Plätze blieben leer, für ihn war es das vorerst letzte öffentliche Konzert gewesen. (Lesen Sie hier die Rezension des Konzertes)
Inzwischen gibt es wieder einige Auftritte unter strengen Auflagen. Vor allem aber hat es ihn gefreut, dass einige Wettbewerbe haben stattfinden können.
Tobias Wolff war gewohnt gut vorbereitet und konnte Steger immer neue Bälle zuwerfen. So ging es um die Dirigiert-Tätigkeit von Maurice Steger, um alte und neue Instrumente, um Alte und Neue Musik, um die Klangsprache der Blockflöte und natürlich um Händel.
Nach diesem letzten Händel-Talk von Tobias Wolff stehen noch die letzten Veranstaltungen des digitalen Festivals auf dem Programm. Zum Abschluss und Höhepunkt ist die österreichische Mezzosopranistin Sophie Rennert am Pfingstmontag mit ihrem Programm „50 Shades of Love“ zu erleben – live auf dem Kanal „Global Concert Hall“ auf www.idagio.com