Aufbruch, Umbruch, Veränderung – unter diesem Motto nimmt uns die Musikshow »Wind of Change« mit auf eine musikalische Reise in die 1970er und 1980er Jahre. Marie Beckmann hat die Premiere im Jungen Theater Göttingen besucht.
Am 23. Februar 2024 fand die Premiere von »Wind of Change« inszeniert von Michaela Dicu und unter der musikalischen Leitung von Fred Kerkmann und Uwe Meile im Jungen Theater Göttingen statt. 26 Songs führen die Zuschauenden durch einen Abend voller Kontraste. Das Publikum geht mit den acht Darsteller:innen durch ein Wechselbad der Emotionen, immer getrieben von einer im ganzen Saal spürbaren Stimmung des Aufbruchs. Ruhige, sentimentale Balladen wie Elton Johns „Nikita“ und „We Don‘t Need Another Hero“ (Graham Lyle/Terry Britten) wechseln sich ab mit Rock Klassikern wie „Born to Run“ (Bruce Springsteen) und „Rockin‘ in the Free World“ (Neil Young). Hoffnung und Mut angesichts eines bevorstehenden Aufbruchs stehen Frustration und Wut über die gesellschaftlichen Zustände gegenüber. Dabei schaffen die Darsteller:innen es immer wieder, innerhalb kürzester Zeit das Publikum in ihren Bann zu ziehen und emotional mitzureißen.
Die als „fast politische Musikshow“ angekündigte Inszenierung spiegelt stilvoll, prägnant und dennoch ganz unaufdringlich die politische Dynamik dieser Zeit wider. Eine Assemblage aus Songs geprägt vom Kalten Krieg, dem geteilten Deutschland und einer gleichzeitig aufkommenden Stimmung des Aufbruchs und Anpackens macht die Show zu einer nicht nur „fast politischen Musikshow“. Sowohl die individuelle als auch die kollektive Ebene des Aufbruchs werden musikalisch wie auch choreographisch gekonnt in Szene gesetzt. Emotionen von Sehnsucht und Hoffnung einer einzelnen Person, wie sie in den Liedern "Nikita" von Elton John oder "Wind of Change" von den Scorpions zum Ausdruck kommen, verweben sich geschickt mit den gesellschaftskritischen Klängen von "Alle oder keiner" von Gerhard Gundermann und "Schrei nach Liebe" von den Ärzten zu einem Wrap-up der 70er und 80er Jahre. Und dennoch scheint das Thema der Show gewissermaßen zeitlos, quasi aktueller denn je. Denn auch heute gehen Menschen auf die Straße, um für Freiheit, Toleranz und Gleichberechtigung aufzustehen und sich gegen Rechtsextremismus stark zu machen. Die Show schließt passenderweise mit dem parodistischen, AfD-kritischen Song „Wähl die AfD“ der Band Jennifer Rostock.
Die Songs werden umspielt von einer mal eher szenischen, mal mehr choreographischen Performance. Jeder Song eröffnet dabei eine ganz neue Situation, eine neue Geschichte, eine neue Emotion. Die Inszenierung der einzelnen Songs ist so vielseitig und kontrastreich wie die Songs selbst. Teilweise werden der Songtext und die Stimmung des Songs szenisch umgesetzt, während andere Songs integraler Bestandteil der Handlung sind, wie etwa "Ketten werden knapper" (Gerulf Pannack/Peter Gläser), der während einer Demo als Protestsong zum Einsatz kommt. Einige Lieder wiederum entführen das Publikum in die Atmosphäre eines Live-Auftritts. Mit kleinen Deutschlandfähnchen wedelnd performen die Darsteller:innen eine Parodie auf Deutschland zum Song „Deutschland“ von den Prinzen. Im „Sonderzug nach Pankow“ schenkt ,Udo Lindenberg‘ (alias Schauspieler Jan Reinartz) den Mitfahrenden aus seinem Fläschchen Cognac ein. Zu 99 Luftballons findet im Hintergrund ein Krieg um die Welt statt (wenn auch mit Nerf-Pistolen und Papierfliegern).
Der Kontrastreichtum der Songs erfordert von den Musiker:innen, den Sänger:innen und den kreativen Teams für Bühne, Kostüme und Choreografie ein hohes Maß an Flexibilität und vielseitigem Können. Alle Beteiligten meistern diese Herausforderung mit Bravour und gleichzeitig verliert die Show über den gesamten Abend hinweg nicht den Roten Faden, den „Wind of Change“. Die szenischen Darstellungen harmonieren ausgezeichnet mit den Songs und sind fein aufeinander abgestimmt.
Trotz des gefühlsdichten und gesellschaftskritischen Duktus der Show bleibt vor allem der Spaß nicht auf der Strecke. Immer wieder wird mitgeklatscht, gejubelt, gelacht und zu „Wind of Change“ werden die Handylichter im Takt geschwenkt. Das Publikum ist am Ende begeistert. Dreimal Standing Ovations, nach jeder Zugabe wieder.
Die Tickets für die nächsten Aufführungen am 02.03., 08.03. und 15.03. sind bereits jetzt ausverkauft (Restkarten evtl. an der Abendkasse). Für die Vorstellungen am 05.04., 20.04. und die Vorstellungen im Mai und Juni gibt es noch Karten online auf der Website des Jungen Theaters oder telefonisch.