Es ist eine der schönsten kirchenmusikalischen Traditionen: die Andacht zur Todesstunde Christi am Karfreitag um 15 Uhr in St. Jacobi. Nach zwei Jahren Wartezeit konnte Kantor Stefan Kordes nun endlich die Lukaspassion von Heinrich Schütz aufführen.
Eingerahmt vom Orgel-Praeludium e-Moll von Nikolaus Bruhns und der Motette Verleih uns Frieden genädiglich von Heinrich Schütz stand die Lukaspassion von Schütz im Mittelpunkt der Karfreitagsandacht in St. Jacobi. Manuel König als Evangelist, Arne zur Nieden als Jesus, Christian Neofotistos als Pilatus, und der Kammerchor St. Jacobi unter der Leitung von Stefan Kordes haben diese älteste der drei Passionen des Frühbarock-Komponisten sehr eindrucksvoll gestaltet.
Da ist zunächst die Partie des Evangelisten: von Schütz wird die Partie mit relativ geringem Tonumfang in den Noten ausgestattet und mit der Vorgabe versehen, „er singe frei und fließend, im Zeitmaß natürlicher, ungezwungener Rede.“ Davon hat der Tenor Manuel König wunderbar Gebrauch gemacht: er hat Akzente gesetzt, innig gestaltet und mitgelitten, sich erregt, wo es angebracht war. Das war wahrlich frei vorgetragen.
Nicht minder nahm sich Arne zur Nieden der Jesus-Worte an. Er gestaltete die Musik mit warmem Timbre feierlich und voll großer Würde. Besonders eindrucksvoll gelang zur Nieden das Gebet in Gethsemane. Der schmerzliche Seelenkampf war bis in die letzte Reihe der gut gefüllten St. Jacobikirche zu spüren.
Der Chor erwies sich als hellwach und hat die verschiedenen Szenen sehr lebendig gestaltet. Ob als demütige oder wütende Jünger, als pedantische Hohepriester und Schriftgelehrte oder als entfesseltes Volk, wurden die gut vorbereiteten Chorist:innen jeder Rolle gerecht. Bemerkenswert waren die zahlreichen Solo-Einwürfe aus dem Chor heraus, von denen Christian Neofotitstos den umfangreichsten Part zu absolvieren hatte.
Die Passionsmusik von Heinrich Schütz ist keine Musik, die man sich zum Genuss zu Hause anhört. Sie braucht den Kontext in der Kirche und zeigt erst dadurch ihre Wirkung. Und diese Wirkung hat Stefan Kordes mit Chor und Solisten vorzüglich herausgearbeitet.
Am 22. und 23. April finden in St. Jacobi die 5. Bach-Tage statt. Am 29. April findet der Bach-Orgelzyklus seinen Abschluss. |