Mit musikalischen Begegnungen wirbt die St. Jacobi Kirchengemeinde im September um Unterstützung. Mehrere gekrümmte und eingedrückte Orgelpfeifen der Ott-Schmitt-Orgel benötigen eine aufwendige Sanierung, die im Oktober erfolgen soll. Nachdem Kantor Stefan Kordes die Reihe der fünf geplanten Benefizkonzerte mit Orgelwerken von Cesar Franck eröffnete hatte, war der zweite Konzertabend den Liedern von Franz Schubert gewidmet und der musikalischen Begegnung mit Tenor Andreas Fischer, der für sein Programm den Titel „Mensch und Natur“ gewählt hatte.
Es sind die vertrauten Sehnsuchtsmotive, die in den 15 Liedern immer wieder anklingen und mit ihnen die Stimmen der Melancholie und der Wehmut, wie sie Schubert auch in seinen Liederzyklen immer wieder erkundet hatte und befragt. Doch zunächst lockt „Das Lied im Grünen“ mit dem Frühling als lieblichem Knaben in eine Leichtigkeit des Seins mit der beflügelnden Wirkung der Natur. Bereits mit dem zweiten Lied „Verklärung“ wird der Verlust des Daseins herbei geahnt, wie ein magischer Lockruf des Todes, der alle irdischen Ängste bannt. Andreas Fischer begibt sich in die Rolle eines Erzählers, wenn er sich in die Verse von Alexander Pope in der deutschen Übersetzung von Johann Gottfried Herder wie ein teilnehmender Beobachter vertieft. Er legt kein Pathos in die Stimme und auch keine Dramatik, als ob die dramatischen Akzente bereits in den Versen zum Ausdruck kommen, die nun eine Übertragung in Töne, Melodielinien und Harmonien erfahren.
Zarte Seufzer mit einem leisen Hauch von Wehmut durchdringen den „Blumenbrief“ des unglücklich Verliebten, der vergeblich Rose, Myrte und Ringelblume zu seinen Gunsten beschwören möchte, während das „Heideröslein“ in heiter beschwingenden Klangfarben sticht und bricht. „Am Fluss“ folgt ein poetischer Schwärmer dem Wellengesang und wie sich darin der schöpferische Kosmos spiegelt, den dann „Der Leidende“ so unverzagt herbeisehnt. Dem feinen Spott, mit dem Franz Schubert die „Fischerweise“ in seinem Lied bedachte, gönnt Andreas Fischer weitere heiter aufmunternde Zwischentöne, um mit „Des Fischers Liebesglück“ in all der erhofften strahlenden Glücksseligkeit auch Momente von Andacht mitklingen zu lassen.
Der narrative und zugleich reflektierende Tenor prägt die Atmosphäre dieses Liederabends, bei dem sich Andreas Fischer mit Stefan Kordes am Flügel auf Wanderschaft mit Harmonien und Dissonanzen zwischen Mensch und Natur begibt.
Als lyrischer Tenor hat er ein wunderbar feines Gespür für die filigranen Zwischentöne, die Schubert auch für Goethes „Rastlose Liebe“ fand, den „Tränenreigen“ von Wilhelm Müller oder die Dichterworte von Friedrich Leopold, Graf zu Stolberg-Stolberg „Stimme der Liebe“. Es kann auch dramatisch werden in der Sammlung von Liedern und den Motiven, die die Stimme kraftvoll bestärkt. Aber noch viel intensiver ist die Wirkung in den leisen Tönen mit dem Schimmer von Sanftmut, der das existenzielle Ringen um Liebe, Glaube und Hoffnung durchdringt.
Andreas Fischer und Stefan Kordes haben sich für den Abend mit Schubert auf eine Andante Stimmung verständigt. Es hat den Anschein, als ob ihnen dabei Goethe sein „Verweile doch, Du bist so schön“ zugeflüstert hat, um so auch den tragischen Aufruhr, den Schubert in manchen Liedern wie eine verhaltene Echostimme auf die Verse komponierte, mit einem kontemplativen Raum in Beziehung zu setzen.
In diesem Raum entfaltet dann nicht nur Schuberts „Litanei auf das Fest Aller Seelen“ seine besonders vertiefende Wirkung, an das sich die sanft glühenden Klangbilder über Karl Gottlieb Lampe poetischer Widmung „Im Abendrot“ anschließen. Es sind die Verse von Ludwig Rellstab aus dem Zyklus „Schwanengesang“, die bei dieser musikalisch poetischen Wanderung „Natur und Mensch immer wieder an- und vor allem nachklingen. „Leise flehen meine Lieder“.