Schon längst gehören die Konzerte, zu denen die Stiftung Internationale Händel-Festspiele Göttingen einlädt, zum festen Bestandteil der jährlichen Festspiele. Und so wurde das von Hans Joachim Marx zum Jubiläum der Festspiele 2020 zusammengestellte Programm nun in 2021 zum nachgeholten Jubiläum präsentiert.
Im Mittelpunkt des Programms steht die Oper Almira – die Oper trägt im Händel-Werk-Verzeichnis die Nummer 1 und ist die erste Opernkomposition des erst 20jährigen Georg Friedrich Händel. Aufgeführt wurde sie in der Hamburger Gänsemarkt-Oper.
Das Abchordis Ensemble und die Sopranistin Felicitas Wrede präsentierten Ausschnitte aus dem Werk – die Erste Fassung der Ouvertüre war zugleich eine Erstaufführung, weil bei der Premiere 1705 eine andere Fassung gespielt wurde. Die bei diesem Konzert gespielte Fassung wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt.
Überhaupt gab es unterschiedliche Fassungen einzelner Teile, auch von anderen Komponisten. Diese wurden den Händel’schen Fassungen gegenübergestellt, was einen besonderen Reiz ausübte. Händel und Reinhard Keiser sowie Händel und Telemann lauteten die Paarungen. Außerdem erklang die berühmte Arie „Lascia ch’io pianga“ aus der Oper Rinaldo. Das musikalische Grundthema dieser Arie tauchte in der Sarabande im III. Akt von Almira erstmals auf.
In der Musik Händels ist sein großes Talent unüberhörbar. Auch wenn die Kompositionen Keisers oder Telemanns reifer klingen, steckt in Händels Musik mehr Feuer, mehr Rafinesse. Neben diesen spannenden Bezügen der verschiedenen Programmteile (im Programmheft sehr gut erläutert von Dorothea Schröder), sind natürlich die Künstler:innen zu erwähnen, die am Festival-Sonntag zur Matineezeit in der Universitätsaula aufgetreten sind.
Das Abchordis Ensemble wurde 2011 gegründet und erhielt im Jahr 2015 den ersten Preis des Internationalen Händel Wettbewerbs Göttingen. Inzwischen sind die Musiker:innen in Konzertsälen in ganz Europa zuhause. Sie haben sich zur Aufgabe gestellt, bisher unveröffentlichte und unaufgeführte Werke des italienischen Barocks neu zu beleuchten. Sie bewegten sich absolut stilsicher in Händels Frühwerk. Trotz kleiner Besetzung entfalteten sie schon bei der Ouvertüre einen großartigen Klang, der das Talent des jungen Händels unmittelbar hörbar machte. Ihr Können und ihre Virtuosität konnten Miriam Jorde Hompanera (Oboe), Boris Begelmann und Elena Abbati (Violine), Nicola Paoli (Violoncello) und Andrea Buccarella (Cembalo) im Laufe des Programms mehrfach unter Beweis stellen.
Als Gesangssolisten wurde Felicitas Wrede verpflichtet. Die junge Sopranistin studiert noch Gesang in Leipzig, hat aber bereits mehrere Preise erhalten. Auf der Bühne der Göttinger Universitätsaula begann Wrede zunächst etwas zurückhaltend, fast schüchtern. Das legte sich aber schnell. Im Laufe des Konzertes zeigte sie, mit welcher Leichtigkeit sie die Spitzentöne in den Arien meisterte, welche Power in ihr steckt und mit welchen Emotionen sie die Zuhörer:innen berühren kann.
Der Applaus am Ende war mehr als herzlich – die Musiker:innen wurden erst nach einer Zugabe entlassen. Zum Abschluss gab es noch einmal die Arie aus Rinaldo.