Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Information
Torhaus Galerie

Schöpferischer Dialog

Information
Herbert Grimme und Maki Hussein Maki in der Torhaus-Galerie
von Tina Fibiger, erschienen am 04. Juni 2023
Maki Hussein Maki und Herbert Grimme in der Göttinger Torhaus Galerie | © Photo: Fibiger

In einer Doppelausstellung mit den beiden Titeln »Realitäten – Abstraktionen« und »Visionen – Hoffnungen« werden Werke des Malers Herbert Grimme und der Bildhauerin Maki Hussein Maki gezeigt. Kulturbüro-Autorin Tina Fibiger hat zur Eröffnung über die Ausstellung gesprochen. Lesen Sie hier den Text im Wortlaut.

Herzlich willkommen in der Torhaus-Galerie!

Sie erwartet ein schöpferischer Dialog, in den sich Herbert Grimme und Maki Hussein Maki mit ihren Arbeiten und für Sie begeben.

Die bildende Kunst lebt wie alle schöpferischen Sprachen vom Dialog zwischen Innen und Außen. Im künstlerischen Prozess sind die Grenzen zwischen Introspektion und konkreten Erfahrungswelten fließend. Und das umso mehr, weil es dabei um den Ausdruck von Emotionen, Assoziationen und Reflektionen geht, die Künstler über sich und ihren Lebenshorizont mitteilbar machen wollen, um darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sei es für eine unmittelbare mentale Berührung oder für einen Impuls der nachdenklich macht. Dazu gehört natürlich auch die Bereitschaft, sich in einen vielstimmigen, manchmal sehr komplexen Verständigungsraum zu begeben und auf das befremdend Irritierende ebenso einzulassen, wie auf das scheinbar Vertraute.  Loszulassen im Moment des Betrachtens, um in die skulpturale Welt von Maki Husein Maki hineinzulauschen, und in die engagierten malerischen Unruheherde von Herbert Grimme.

Die beiden Künstler stellen zum ersten Mal gemeinsam aus. Und zunächst hat es den Anschein, als bilden sie nicht nur handwerklich stilistisch und ästhetisch ein Gegensatzpaar. Mit der Flut von globalen Katastrophenszenarien, zu denen Herbert Grimme in seinen Arbeiten Stellung nimmt, wenn er mit der Erderwärmung und dem Schmelzen der Pole, den menschlichen Faktor in seinen zerstörerischen Kräften entlarvt. Oder wenn er Kriegs- und Krisengebiete malerisch sondiert, die schon so lange zu religiösen Kampfzonen deklariert werden, obwohl sie im Grunde nur eine andere Lesart geopolitischer Verteilungskämpfe um Rohstoffreserven und Energieressourcen sind. Maki Hussein Maki nimmt auf seine Weise Stellung mit dieser Atlas-Gestalt, wie sie hier die schwergewichtige Welt unter Mühen stemmt. Zugleich vergreift sie sich an diesem Globus, als gelte es einen Besitzstand nur für sich allein zu umklammern, was der Künstler auch im Titel so wunderbar mehrdeutig anmerkt: „Die unmögliche Eindämmung“.

Im hinteren Ausstellungsraum erwartet sie eine Gemeinschaft von drei Figuren, die ein Leitmotiv vereint, in dem sich Maki Hussein Makis schöpferisches Credo spiegelt: „Sinnliche Reflexion“.  Der Schmerz nimmt Gestalt an, wie er sich in der materiellen Beklemmung biegt und verkantet, um dann energisch auszutreiben. Daneben das Figurenpaar, das sich im Gespräch auch in Brüchen und kantigen Wendungen begegnet und seinen gemeinsamen Rahmen im Miteinander zu durchdringen vermag. In den offenen Horizont treibt es auch die sinnliche Reflektion einer Mutterschaft mit dieser Gestalt, die ganz in sich zu ruhen schein mit den vielen offenen Gesten, die sich wie Strahlen ausbreiten. 

Was einem dabei in den Sinn kommen könnte, über Momente von Liebe, Vertrauen und Geborgenheit kontrastieren die Bilderzählungen von Herbert Grimme ebenso drastisch wie schmerzhaft mit dem Guantanamo-Häftling, den die nächste Folterattacke erwartet. Mit seiner „Pieta“ lässt uns der Künstler auch in einen vermummten Schmerzensmann unter Terrorverdacht hineinblicken, wie er in einer Wüstenlandschaft mit dem Bombenblitz sein totes Kind in den Armen hält und blind auf eine Projektionswand zu starren scheint, die einen Traum von wolkigem Himmelsblau verspricht. Er mutet uns aber ebenso die mörderische Revanche zu, mit dem Anblick einer knienden Gestalt vor dem Erschießungskommando, deren Kopf mit einer US-Fahne vermummt wurde.  Zu denken geben müssen und wollen auch die Zeichnungen Grimmes von Körpern und Muskelmassen, wie sie einander umschlingen und mit dem Titel „Gewalt“ versehen wurden oder mit der Anmerkung „Sie sagen, es sei noch immer der Wille der Götter“. Aber das dürfen natürlich auch Lichtblicke wie diese leuchtende Farblandschaft mit dem Titel „Frühling“ die er in das kriegerische Szenario und die andauernde Zerstörungswut geschmuggelt hat… auf dass die berührende Momentaufnahme vielleicht sogar mit den musikalischen Fantasien harmonieren, die Maki Hussein Maki skulptural in diesen wunderbar bewegenden Gesten eines Geigen- und eines Gitarrenspielers imaginiert und geformt hat.

Die Stimmen des Widerstandes, wie sie beispielsweise gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen Stellung bezogen und gegen die atomare Aufrüstung der Ökonomie sind inzwischen Geschichte. Umso erschreckender ist die Halbwertzeit, die in den früheren Arbeiten von Herbert Grimme eingelagert ist, und wie sie mit Blick auf akute gesellschaftspolitische Verwerfungen weiterhin insistieren, sich demonstrativ empören und nachfragen. Warum regiert weiterhin das ökonomische Diktat über den Widerstand gegen die ökologische Katastrophe, auf die der Globus im Eiltempo zusteuert? Und warum werden neben den politischen Gründen, die unzählige Menschen in die Flucht treiben mit den ökonomischen Motiven nicht auch die Ursachen benannt? Dass in restlos ausgebeuteten und verödeten Regionen kein Überleben möglich ist und die Geflüchteten sich verzweifelt an die Grenzzaungitter klammern. Auf die Korrespondenz mit der aktuellen Nachrichtenlage brauche ich auch an dieser Stelle nicht hinzuweisen. Sie spricht aus den Bildmotiven und den Skulpturen.

Die Tatsache, dass die Weltreligionen für geopolitische Strategien instrumentalisiert und haftbar gemacht werden, ist nicht neu. Auch hier insistiert der Künstler unverändert nachdrücklich und hat das malerische Szenario mit dem Titel „Dialog“ mit einem Fragezeichen versehen. Solange es nur um Machtarsenale und Mehrheiten geht, brennen weiterhin die Fahnen der Fanatiker, angetrieben von einem Allmachtwahn, der sich dem Dialog verweigert. Während die frommen Wünsche und Hoffnungen die Risse in der Klagemauer füllen, verliert sich die flüchtende Palästinenserin in der Heimatlosigkeit, der Grimme den Bildtitel „Lost“ mit auf den Weg gegeben hat. 

Vielleicht ist es dieser Bronzekörper im Vordergrund, der den zerstörerischen Wahn schultern, und dabei nicht nur an den historischen Altlasten trägt, die sich in all den scheinbar leeren Rahmen unsichtbar verfangen haben. Auch die schmerzhaften Erinnerungen mit den Wundmalen und dem Narbengewebe, die Maki Hussein Maki seit seiner Flucht aus dem Irak schon so lange vertraut sind, vertraut er immer wieder diesen Rahmen an. Hier signalisieren sie mit dem Titel „Herausforderung“ ihre bedrückende und bedrängende Wirkung, während er der Skulptur, die an ihrem Rahmen einen weiteren wie einen Spiegel aufrecht hält, den „Versuch einer Besserung“ zutraut. Es sind gelebte Innenwelten und Seelenlandschaften, die der Bildhauer in Bronze mit bewegenden Gesten verdichtet, so dass sie in die Außenwelt vordringen, um dort als sinnliche Reflektionen weiter zu bewegen.

Wo Herbert Grimme mit seinen Zeitfenster Motiven Hitzewellen neben Gesteinsbrocken, Erdsplittern, schmelzenden Gletschertürmen und Vulkanwolken aufflammen lässt und sie mit beunruhigt aufgebrachten Gestalten für den Titel „Ausweg“ collagiert, hat Maki Hussein Maki einen glänzend polierten Chor versammelt, der von einem sonnigen Tag in der Stadt mit anmutig beschwingenden Gesten erzählt. In ihrer skulpturalen Gestalt wollen seine Alltagsbeobachtungen auch gern ohne Blick auf den Titel erkundet werden, wenn sie an einen Stamm mit vielen Verästelungen und Trieben denken lassen, als Paar in eigenwilliger Haltung posieren, zu einem zauberhaft aufblühenden Geschmeide werden, zu einem tanzenden Körper verschmelzen oder dem Luftraum mit einer strahlenden Umarmung begegnen.

Der Ausstellungtitel deutet es im Grunde bereits an.  Für ihren schöpferische Dialog vertrauen Herbert Grimme und Maki Hussein auf unterschiedliche Materialsprachen, aber was die ästhetische und stilistische Zuschreibung ihrer Arbeiten und inhaltliche Lesarten betrifft, verweigern sie sich einer Zuschreibung. Die beiden Begriffspaare „Realitäten – Abstraktionen“ „Visionen – Hoffnungen“ spiegeln sich ebenso im malerischen Aufruhr wie in der skulpturalen Verdichtung von Lebenswirklichkeit. Wie die in den künstlerischen Prozess mit ihren Störsignalen und ihren zerstörerischen Unruheherden vordringt, um auf der Leinwand demonstrativ und gern auch plakativ zu beunruhigen und in Bronze geformt vielleicht verhaltener, aber dennoch nicht minder aufrührend. 

Lassen Sie sich von den beiden Künstlern, die mit ihren Arbeiten auf ihre subjektive und auch sehr persönliche Weise bewegen, berühren und ebenso unsanft nachdenklich verstören.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Die Ausstellung in der Göttinger Torhaus Galerie ist noch bis zum 2. Juli Samstags und Sonntags von 15 bis 17 Uhr zu sehen.

   

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.