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Achterbahnfahrt der Gefühle

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Alexey Stadler | © Photo: Marco Borggreve

Ernsthaft und doch hoffnungsvoll, dramatisch und doch sanft. Emotionen, die auf diese Weise nur die Musik verbinden zu vermag, in einer Zeit in der das Thema Krieg in Europa leider nicht nur in den Geschichtsbüchern zu finden ist, sondern uns täglich in den Nachrichten konfrontiert. 

Am Abend des 5. Oktobers lud das Göttinger Symphonieorchester unter der Leitung von Chefdirigent Nicholas Milton in die Lokhalle ein, um ihr erstes Symphoniekonzert in der Spielzeit 2023/2024 zu präsentieren. Eine ausverkaufte Halle und ein Publikum, das alle Generationen umfasste, zeigten, dass das Göttinger Symphonieorchester nach der Sommerpause sehnlichst von den Zuhörer:innen zurückgewünscht wurde.

Das Motto des Abends »Aus der neuen Welt« versprach ein vielseitiges Programm, das die Besucher:innen bei Betreten des Orchesters freudig erwarteten.

Das Konzert begann mit einem von Modest Mussorgsky in der Mitte des 19. Jahrhunderts komponierten Stück »Intermezzo in modo classico«. Für Orchester wurde das Stück von Nikolai Rimski-Korsakow bearbeitet, der ein guter Freund des Komponisten gewesen ist. Es handelt sich um ein kurzes und abwechslungsreiches Stück, das durch einen russischen Stil geprägt ist. Die Zuhörer:innen konnten hier besonders die verschiedenen Stimmungen des Stückes heraushören, die durch die verschiedenen Tempi der vier Sätze deutlich wurden. Ein passender Einstieg in einen Abend, der noch unterschiedlichste Gefühle in den Besucher:innen  hervorrufen sollte.

Nach dieser Gefühlsachterbahn des ersten Stückes ging es mit dem »Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 op. 107«, im Jahr 1959 komponiert von Dmitri Schostakowitsch, weiter. Auf die Bühne trat Alexey Stadler, der an diesem Abend den Solopart des Cellos übernehmen sollte. Der in St. Petersburg geborene Cellist studierte in Weimar und debütierte mit diesem Konzert jüngst bei den BBC Proms unter der Leitung von Vasily Petrenko.

Bei dem 32-Jährigen handelt es sich um ein herausragendes Talent, wie der spätere Verlauf des Konzertes noch bewies, der schon mit vielen renommierten Symphonieorchestern wie zum Beispiel jenen aus San Francisco oder Tokyo zusammenspielte. Er richtete seine Worte vor Beginn des Stückes an die Zuhörer:innen und brachte ihnen den historischen Kontext des Stückes näher. Schostakowitsch lebte in einer Zeit, in der die sowjetische Regierung die künstlerische Freiheit stark einschränkte, und er selbst stand unter politischem Druck. Einige seiner Werke wurden als heikel angesehen, da sie oft verschlüsselte Botschaften und künstlerischen Ausdruck enthielten. Da dieses Stück zur Zeit des Kalten Krieges komponiert wurde, enthält es immer wieder Merkmale, die damit in Verbindung zu bringen sind und durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seit Februar 2022 aktueller sind, als es einem lieb ist. Wenn der erste Satz des Stückes, durch sein lebhaftes Allegretto, noch sarkastisch und verspielt wirkt, findet man dennoch fast schon militärische Züge darin, die durch das Interagieren des Orchesters und des Cellos zu Stande kommen. Im zweiten Satz des Stückes erkennt man jedoch durch das langsame Moderato, dass sich die Stimmung drastisch in Melancholie verändert. Das Cello übernimmt hier eine tiefe und emotionale Melodie, die die Zuhörer:innen bewegte. Auch an ein Aufatmen im dritten Satz war nicht zu denken, da dieser dem Solocello allein gewidmet ist. Das ganze Orchester blieb still und auch in der Lokhalle war kein Geräusch zu hören, als Alexey Stadler sein Solo begann. In diesem konnte er sein technisches Können in Gänze unter Beweis stellen und seine eigene Interpretation dieses Stückes einfließen lassen. Diese hochanspruchsvolle Passage meisterte er mit einer solchen Leidenschaft, dass er das Publikum absolut begeistern konnte. Den Übergang in den vierten Satz fand das Orchester fehlerlos und ließ die Stimmung des lebhaften Allegro con moto aufkommen. Nach dieser Darbietung ertönte in der Lokhalle ein großer Beifall, der eine kurze Zugabe von Alexey Stadler mit sich brachte. 

Nach dieser aufwühlenden Darbietung war eine Pause auch für die Besucher:innen mehr als nötig, bevor es mit dem Konzert weitergehen konnte.

Nach dieser kam es zu einem weiteren Highlight des Abends, welches dem Konzert auch seinem Namen gab. »Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95: Aus der neuen Welt« geschrieben von Antonín Dvořák, das eines der bekanntesten und beliebtesten Stücke des 19. Jahrhunderts ist, war der nächste Programmpunkt des Abends. Dvořák komponierte dieses Stück während seines Aufenthaltes in Amerika, obwohl dieser selbst eine Böhme war und stark von der europäischen Musik beeinflusst war, erkennt man in diesem Stück auch amerikanische Merkmale. Sehnsucht ist das Thema, das man heraushören kann. Sowohl Sehnsucht nach der Heimat aber auch Sehnsucht nach neuen Kulturen. Dort wo sich der erste Satz noch langsam durch tiefe Streicherklänge entwickelt und das Thema der Symphonie etabliert, zeigt der zweite Satz die wohl bekannteste Passage des Stückes, die durch die Melodien in Largo gekennzeichnet sind. Im kraftvollen Abschluss des Stückes entwickelte sich das aufregende Finale der Komposition, in der man als Zuschauer:in nur Euphorie dabei empfinden konnte Nicholas Milton beim Dirigieren des großartigen Orchesters zuzusehen. Nach dem energiegeladenen Ende des Stückes hörte man keinen Ton in der Lokhalle. Bis ein lautes „Danke!“ einer Person aus den Reihen des Publikums die Stille brach und es zu einem großen und wohlverdienten Applaus für die Musiker:innen des Orchesters kam. 

Eine Zugabe rundete die emotionale Achterbahn des Abends ab und entließ die Besucher:innen mit ernsthafter, aber doch auch hoffnungsvoller Stimmung in einen Abend, den sie bestimmt nicht so schnell vergessen werden.

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Jasmin D'Amico

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