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Literarisches Zentrum

Enttarnender Abend mit Sekt und Klassenkampf

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Teresa Präauer mit ihrem neuesten Roman »Kochen im falschen Jahrhundert« im Literaturhaus
von Lukas Prießnitz, erschienen am 08. Juni 2023
Amelie May und Teresa Präauer im Literaturhaus Göttingen | © Photo: Prießnitz

Nach Jahren der Kontaktlosigkeit ist es wieder soweit. Einen gemeinsamen Kochabend mit Freunden. Alles muss perfekt sein, alles wie früher. Das Outfit muss sitzen, jeder Gang soll gut schmecken, soll allen wohltun. Natürlich müssen die Produkte von lokalen Erzeugern gekauft worden sein. Werden denn auch alle das Essen mögen? Nach Stunden des Kochens, der Überlegungen und der vielen Arbeit ist es endlich soweit, die Gäst:innen kommen. Wie früher kommt auch heute wieder nur die Hälfte pünktlich, einer sagt fünf Minuten vor Beginn des Treffens ab, wegen dringender Angelegenheiten und das Paar, welches gefühlt schon immer zusammen war, kommt zerstritten und schlecht gelaunt eine Stunde zu spät. Mittlerweile ist der Spritz wieder warm, die Vorspeise nicht mehr lauwarm und das Risotto ist am Ende doch eingebrannt. Auch die Begrüßung lief irgendwie gehemmt ab, keiner wollte die Schuhe ausziehen und nach kurzer Zeit bereuen alle das Treffen, nichts ist wie früher. Ähnliche Gedanken und ähnliche Konflikte treiben die anonymen und dennoch so vertrauten Personen in dem neuen Roman von Teresa Präauer um. 

Im literarischen Zentrum ist heute die Autorin, Malerin und Illustratorin Teresa Präauer mit ihrem neuesten Roman Kochen im falschen Jahrhundert zu gast, Amelie May moderiert. Die Idee zur Thematik bekam Präauer zu Zeiten der Pandemie, als man oft in der Küche stand und seine Essenseinladungen machte, erklärt sie. Schon beim Beobachten des Einkaufens, Kochens, Essens und Einladens das Nachdenken darüber wie hängt es mit den Gesten zusammen, wie ändern sich diese und wie ist es verknüpft, wenn ich den Kochlöffel meiner Großmutter in den Händen habe, wie bin ich da mit einem anderen Jahrhundert verbunden, skizziert die Autorin weiter. Es ist eine Art zwischen den Jahrhunderten sein, auf der einen Seite noch immer eine Hitzequelle, eine Art Feuer und auf der anderen Seite hingegen viele technologische Neuerungen, analog und digital beim Essen, fasst es Teresa Präauer zusammen.  

Das Private, ja das Essen, ist politisch, denn wer zunächst eingeladen wird, wer überhaupt kommen darf, sagt schon etwas über die Beziehungen aus. Des Weiteren werden am Abend selbst weitere kleine Kämpfe ausgetragen. Wer darf wo sitzen, wer darf neben wem sitzen. Überall werden kleine Verhandlungen ausgetragen. Es wird gezeigt wer welche Stellung hat und manchmal wird jene in Frage gestellt. In den kleinen Dingen hängen die Explosionen und der Zündstoff, welcher den Abend sprengen kann, verrät die Malerin und Illustratorin. An einem Abend, schildert Teresa Präauer leicht schmunzelnd, hatte sie ein Hühnchen im Ofen, allerdings kamen zwei Vegetarier zu ihr, wodurch der Beginn des Abends unter neue Vorzeichen gestellt wurde. 

Alle Protagonisten des Romans sind – „in der Hälfte des Lebens“ – angekommen, zitiert die Künstlerin Hölderlin. Gerade diese Erfahrung und zudem noch bevorstehende Naivität möchte Präauer abbilden. Es wäre keine andere Generation möglich gewesen, illustriert die Autorin. Die gemachten Erfahrungen und in Teilen aus einem anderen Jahrhundert in Verknüpfung mit dem noch Kommenden führt zu der Konstellation im Roman. Es möchte viel erreicht werden, gezeigt werden, sie wollen zeigen wie kultiviert und gebildet sie sind. Besser als zu Student:innenzeiten, aber noch nicht langweilig oder verstaubt wie die älteren Generationen. 

Die Quiche und der Crémant de Limoux. Die beiden Produkte sind im Grunde zwei weitere Personen des Abends, empfindet Amelie May. Die Gastgeberin hatte ein komplexes, aufwendiges und hervorstechendes Gericht geplant, jedoch wird es schlussendlich nur eine Quiche. Ähnlich verhält es sich mit dem Crémant. Auch der Crément ist ein Sinnbild für die Situation des Abends. Es wollte viel gekocht, viel vorgeführt werden und schlussendlich wurde es etwas Einfaches und schnell Zuzubereitendes. Der Crémant soll die Leichtigkeit und Freiheit Frankreichs in den Abend bringen und natürlich die Lockerheit der Gastgeber:innen wiederspiegeln. Selbstredend könnte auch nur mit einer so unkomplexen Quiche und einem Crément ein schöner Abend beginnen, es könnte so auch perfekt sein, expliziert Präauer, wenn sich die Gäste verstehen, ergänzt die Autorin. 

Ein Kammerspiel um eine Essenseinladung, betitelt die Moderatorin der Lesung, Amelie May, den Roman. Die zwar anonym gehaltenen Personen, die doch so vertraut wirken sind in Teilen sehr klischeebehaftet, aber trotzdem oder gar aus jenem Grund, kennt jeder ähnliche Personen oder erkennt sich sogar selbst in der ein oder anderen Situation wieder. Ein humorvoller und enttarnender Abend, mit Sekt, Klassenkampf und der Frage über das Wohlfühlen. Zudem ergab sich eine sehr harmonisch stimmige Kombination aus Autorin und Moderatorin. Das oft auflachende und zustimmende Publikum beendet die Lesung mit tosenden Applaus. 

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Lukas Prießnitz

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