Die Cellistin Raphaela Gromes war in der Saison 2021/22 »Artist in Residence« des Göttinger Symphonieorchesters. In dieser Zeit hatte sie mehrere Konzerte in Göttingen, nicht vergessen ist ihr Auftritt mit dem Cellokonzert von Friedrich Gulda. Nun war Gromes erneut zu Gast, diesmal zusammen mit ihrem Klavierpartner Julian Riem auf Einladung der Reformierten Gemeinde und dem CD-Fachgeschäft Tonkost. In der nahezu ausverkauften Kirche präsentierte am 6. Mai 2023 das Duo Gromes/Riem Musik aus ihrer neuen CD »Femmes«.
Es geht in erster Linie um Komponistinnen, in einigen präsentierten Werken aber auch um Heldinnen aus der Oper. „Wir haben das französische Wort »Femmes« gewählt, weil in Frankreich Komponistinnen schon viel länger an Bedeutung gewinnen als bei uns“, erläutert Julian Riem. Und Raphaela Gromes ergänzte: „Als wir die Idee zu dieser Idee hatten, habe ich nur wenige Namen von Komponistinnen gekannt. Bei den Recherchen haben wir hunderte gefunden.“
In der Tat sind nur wenige der Namen auf der CD oder an diesem Abend bekannt. Gleich zu Beginn erklang die Romanze op. 35 von Luise Adolpha Le Beau (1850–1927). Dieses romantische Stück der badischen Komponistin ist eigentlich für Violine geschrieben. Die Wiedergabe setzte sogleich Maßstäbe für den ganzen Abend: mit einem unglaublich warmen Klang berührt das Cellospiel der OPUS-Klassik Preisträgerin von 2020 die Herzen. Dieser Klang passt zur Romantik – aber er ist auch unverkennbarer Stil der Cellistin. Auch in den Spitzenlagen kann sie ihn erzeugen, in der Musik entstehen keinerlei Brüche.
Clara Schumann gehört zu den wenigen Namen, die weitgehend bekannt sind. Ihre drei Romanzen für Violine und Klavier hat Julian Riem ebenfalls für Violoncello umgeschrieben. Es erklang die 3. Romanze mit der Bezeichnung „Leidenschaftlich schnell“. Das nutzte Raphaela Gromes und zeigte ihr Temperament: mit großer Leidenschaft und immer einem Lächeln im Gesicht geht sie auch die hoch virtuosen Passagen an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sie das Publikum für sich gewonnen. Nach diesem Stück erklang mehr Applaus als nach so manchem Konzert andernorts.
Mit Clara Schumann befreundet war die Opernsängerin und Komponistin Pauline Viardot-García (1821–1910). Die drei Stücke aus »Six Morceaux« waren entsprechend gesanglich und damit wie geschaffen für Raphaela Gromes.
Viel Musik wurde an diesem Abend entdeckt, dazu gehören auch die Musik von Nadia Boulanger, Henriette Bosmans, Cécile Chaminade – und Victoria Yagling. Auf diese finnische Komponistin hat während ihrer Aufenthalte beim Göttinger Symphonieorchester die GSO-Cellistin Joanna Kielar-Zachlod aufmerksam gemacht. Die »Aria« aus der Suite für Cello und Streichorchester war eine aufregende Entdeckung.
Julian Riem hat sich nicht nur als exzellenter Arrangeur um dieses CD-Projekt verdient gemacht. Er ist auch ein großartiger Pianist und Begleiter. In seiner »Carmen Fantasie« nach Themen von George Bizet hat er in der Zugabe sein Können unter Beweis gestellt. Als zweite Zugabe gab es (etwas besinnlicher) die »Adoration« von Florence Price (1887–1953).
Künstler wie Publikum genossen die fantastische Akustik und persönliche Nähe zueinander sichtlich und hörbar. Die CD »Femme« mit Raphaela Gromes ist bei Sony Classics erschienen und (natürlich) bei Tonkost in Göttingen erhältlich. Sie sei hiermit unbedingt empfohlen und ans Herz gelegt.
Stefan Lipski von Tonkost kündigte bereits den nächsten musikalischen Besuch in der reformierten Kirche an: am 9. September ist das »Quadriga Consort« aus Österreich zu Gast in Göttingen.